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Das berichten Medien über die Situation der Presse in Mecklenburg-Vorpommern:

Wie nehmen die Medien selbst die Entwicklung wahr? Hier ein Überblick über Beiträge zu diesem Themenkreis:
meedia.de, 15.09.2017

Paukenschlag nach peinlicher Lobby-Attacke auf Martin Schulz

Das Branchenportal sieht die Ablösung der Geschäftsführerin von Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten in direktem Zusammenhang mit einem missglückten Auftritt Stefanie Hauers bei einem Redaktionsbesuch des SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz:

„Hauer hatte aber noch mehr Lobbyisten-Pfeile im Köcher. O-Ton: ,Nachdem man sie an der anderen Stelle kaputtgemacht hat, muss man sie (die Verlage, die Red.) danach mit Subventionen aufpäppeln oder in eine bestimmte politische Richtung lenken, in dem man dann bei ihnen einsteigt. Das kann ja nicht die Antwort darauf sein.' Ein unerklärlicher Fettnapf-Tritt der besonderen Art, wenn man bedenkt: An der Madsack Mediengruppe ist die SPD-Medienholding ddvg beteiligt. Dem Vernehmen hatte die Zeitungsmanagerin schon seit längerem mit Kritik aus den eigenen Reihen und schwindendem Rückhalt aus der Zentrale zu kämpfen. Wesentliche Vorwürfe: ein ruppiger Führungsstil und eine unklare Markenführung. Das Video war dann wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.“

18.09.2017 Zum Beitrag
meedia.de, 01.09.2017

So watschte Martin Schulz die Geschäftsführerin der Lübecker Nachrichten ab

Mit beißender Kritik kommentiert das Branchenportal, wie sich Stefanie Hauer, Geschäftsführerin von Lübecker Nachrichten (LN) und Ostsee-Zeitung, bei einem Interview der LN-Redaktion mit dem SPD-Politiker einmischte, um den Kanzlerkandidaten mit einem Klagelied über den Mindestlohn ins Kreuzverhör zu nehmen, obwohl dieser für Zeitungszusteller in voller Höhe später als in anderen Branchen eingeführt wurde:

Dass im Rahmen eines Redaktionsbesuches sich eine Verlags-Geschäftsführerin ins Gespräch einklinkt und die Gelegenheit für Lobbyarbeit nutzt (für die es bekanntlich genügend Verbände gibt), ist an sich schon ein bemerkenswerter Vorgang. Wo sie es aber schon einmal getan hat, hätte Hauer die Gelegenheit für eine sachliche Diskussion nutzen können. Stattdessen begann sie vor Martin Schultz praktisch zu winseln. Ihre Einleitung gleicht einem Offenbarungseid, der in einer ungewöhnlichen Frage endete. So wollte sie von Schulz wissen, ob er als Kanzler Entlastung schaffen könne, beispielsweise indem er Verlagen geringere Sozialabgaben zusagt. Ob es von sonderlich viel Fingerspitzengefühl zeugt, ausgerechnet dem Kanzlerkandidaten der SPD in der heißen Wahlkampfphase im Live-Interview ein Nein zum Mindestlohn abzuringen, steht auf einem anderen Blatt. (...)
Das ohnehin schon eigenartige Gespräch lud sich auf: Hauer warf Schulz indirekt vor, Hilfe sei nur erforderlich, weil die Politik die Verlage an anderer Stelle ,kaputt gemacht' habe. Schulz ermahnte die Managerin, ihn ausreden zu lassen (...). Schließlich zeigte der Kanzlerkandidat Kante: ,Wenn das Ihre Meinung ist, dann können sie nicht die SPD wählen.' In der Redaktion sorgte der eigenwillige Auftritt dre LN-Geschäftsführerin noch zwei Tage danach für Kopfschütteln. Ein Teilnehmer zu meedia: ,Viele von uns hätten vor Fremdscham im Boden versinken können.'

Bei dem zum Madsack-Konzern gehörenden Verlag zeigte der Verriss offenbar Wirkung; gut vier Stunden später schob das Portal diese Meldung nach – mit Verweis auf einen unbedachten Tritt ins Fettnäpfchen:

„Zusätzlich kritisierte sie, dass die Politik Verlage ,kaputt gemacht' habe und dass Parteien durch die Beteiligung an Zeitungsverlagen die Medien in eine ,bestimmte Richtung' lenkten. Wie sie diesen Vorwurf genau gemeint hatte (die SPD-Medienholding ddvg ist an der Madsack Mediengruppe mehrheitsbeteiligt), hat Hauer auf Nachfrage von MEEDIA nicht beantwortet. Stattdessen gab es eine Entschuldigung der Zeitungsmanagerin: ,In Form und Inhalt war es von mir persönlich ein unglücklicher Auftritt, für den ich mich nur entschuldigen kann.“

06.09.2017 Zum Beitrag (mit Link zum Video)
Süddeutsche Zeitung, 05.10.2016

Total zentral - Rettung oder Untergang der Pressevielfalt?

Die Süddeutsche beschäftigt sich unter anderem am Beispiel der in Hannover sitzenden Madsack-Gemeinschaftsredaktion RND, an die auch die Rostocker Ostsee-Zeitung angeschlossen ist, mit der zunehmend zentral gesteuerten Produktion von Regionaltiteln:
„Während Chefredakteur Koch die Einführung des Redaktionsnetzwerkes als friedliche Revolution bezeichnet, schimpften Mitglieder der ,gefledderten' Redaktionen über den ,Reichsnachrichtendienst', der sie entmündige. Anstatt selbst zu bestimmen, wie über die Haushaltsdebatte berichtet wird, erfahren die Chefredakteure in der Morgenkonferenz, wie ihre überregionalen Seiten aussehen. Von Fremdbestimmung will Koch aber nichts wissen. ,Die Chefredakteure behalten weiterhin die Hoheit über ihr Blatt', sagt er. (...) Für Gewerkschafter ist das pure Theorie. ,In den  belieferten Redaktionen wurde das Personal so ausgedünnt, dass es niemanden gibt, der zusätzliche Recherchen übernehmen könnte', sagt Rainer Butenschön, zuständig für Medien bei Verdi Niedersachsen-Bremen. Die Auswirkungen der Zentralisierung hält er für verheerend. ,Aus einstigen Vollredaktionen entsteht eine einzige Zentralredaktion mit regionalen Anhängseln. Das reduziert die Informations- und Meinungsvielfalt dramatisch.' “

07.10.2016
verdi.de, 30.09.2016

Das Gespenst einer Einheitszeitung für ganz Deutschland

Vor dem Hintergrund der aktuellen drastischen Sparmaßnahmen bei Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten, die der Vereinheitlichungsstrategie der Hannoversche Madsack-Gruppe zum Opfer fallen, warnt ver.di-Medienexperte Martin Dieckmann davor, dass die Entwicklung noch viel weitergehen könnte. Bereits zeichne sich eine Zusammenarbeit von Verlagskonzernen wie Madsack, Funke und DuMont ab, die durch die von der Bundesregierung geplanten Aufweichung des Kartelllrechts noch weiter befeuert würde:
„Es geht hier darum, dass wir in einer ersten Phase erleben, wie die Konzerne alles nach demselben Strukturprinzip – das Lokale bleibt vor Ort, das Allgemeine wird rationalisiert – ordnen. Da es durchweg Konzerne sind, die längst das Schrumpfen der lokalen und regionalen Märkte akzeptiert haben und da sie darüber hinaus erheblich Kosten für Investitionen für die sogenannte digitale Transformation haben, kommen sie langsam an die Grenzen der Verschlankung. Das ist die zweite Phase des Umbaus: Die Konzerne fangen damit an, zentrale Prozesse nicht nur im eigenen Konzern zu zentralisieren, sondern sie suchen die Kooperation mit den anderen Konzernen. Genauso wie das Ansinnen, dass eine Zentralredaktion mal ein bisschen bei der anderen einkauft. Genauer gesagt, gibt es mittlerweile ganz eigene Märkte, in denen die Konzerne miteinander abgleichen, ob die anderen es nicht doch ein bisschen günstiger machen. (...) … Genau: das ist das Gespenst der Einheitszeitung für ganz Deutschland mit einem bunten Strauß an ,regionalen Fenstern' “

01.10.2016
Nordkurier, 09.09.2016

Rabauken-Prozess: Eingriff in Pressefreiheit krachend gescheitert

Chefredakteur Lutz Schumacher kommentiert den vom Oberlandesgericht Rostock erlassenen Freispruch für den Nordkurier-Reporter, der einen Waidmann als Rabaukenjäger bezeichnet hatte und zuvor zu einer Geldbuße von 1000 Euro verurteilt worden war:
„Ich bin beruhigt zu sehen, dass unser Rechtsstaat funktioniert. (...) Der Versuch, der Generalstaatsanwaltschaft, in die verbrieften Rechte der deutschen Presse einzugreifen, ist krachend gescheitert. (...) Die verantwortliche Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) und ihr Staatsanwalt Helmut Trost sollten sich die Urteilsbegründung aus Rostock Wort für Wort gründlich durchlesen – das Urteil ist eine Nachhilfestunde in Sachen Verfassungsrecht.

25.10.2016
Kiek an 1/2016

Pauschalisten in der Redaktion: Schräge Kultur des Miteinanders

Formell selbstständig, in der Praxis billige Arbeitskraft so schildert eine frühere Mitarbeiterin der Ostsee-Zeitung die Schattenseiten der Tätigkeit so genannter Pauschalisten: Ich arbeitete ausschließlich und täglich in der OZ-Redaktion, bekam Aufträge häufig sogar noch spät abends über Facebook oder WhatsApp zugeteilt. Nie in meinem beruflichen Leben habe ich mich so abhängig geführt wie in meiner ,freiberuflichen' Zeit als OZ-Pauschalistin." Zusätzliches Geld für Extra-Leistungen wie Sonntagsdienste habe es nicht gegeben außer der mickrigen Pauschale von 2.000 Euro im Monat, mit der ich alle meine Sozialabgaben selbst begleichen musste. Was ist das für eine schräge Kultur des Miteinanders!"

OZ-Chefredakteur Ebel räumt bei einem Kurzinterview in der selben Ausgabe des Kiek an ein, dass die Tätigkeit von Pauschlisten nicht mehr besonders begehrt ist: Ja, es ist schwerer geworden, freie Mitarbeiter, aber auch Volontäre zu finden. Wie in vielen Branchen in MV hat der Kampf um die besten Köpfe auch uns erreicht. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beruf des Journalisten momentan nicht so sexy ist, was auch daran liegt, dass sich unsere Branche lange Zeit selbst heruntergeschrieben hat.

09.05.2016
Süddeutsche Zeitung, 16.03.2016

Die Politik dein Freund und Helfer

Bemerkenswert findet die Süddeutsche die Landtagsdebatte über die Zukunft der Medien in Mecklenburg-Vorpommern:
Normal ist das in Deutschland nicht, dass sich Politiker zu Partnern jener Zeitungen machen, die über die berichten sollen. (...) Der Journalismus sollte es eigentlich selbst schaffen, seine Leistungen so zu vermarkten, dass er überlebensfähig ist. Trotzdem beschreibt die Schweriner Debatte ganz gut, welche Sorgen das freie Wirtschaften auf dem Medienmarkt mit sich bringt. Die Verlage haben ihre Zeitungen straffen Rationalisierungsprogrammen unterzogen, um auf rückläufige Abonnenten-, Auflagen- und Anzeigenentwicklungen zu reagieren. Der Stellenabbau kostet Vielfalt und journalistische Qualität, viele Blätter beziehen ihre Themen von Zentralredaktionen. Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalistenverbandes sagt: ,Je weiter Sie nach Norden kommen, desto schlimmer wird es.' “

18.03.2016
Schweriner Volkszeitung, 08.03.2016

Politik will Medien im Land stärken

Mecklenburg-Vorpommerns zweitgrößte Regionalzeitung blickt auf die aktuelle Debatte in der Landespolitik zu Zukunft und Perspektiven der Medienlandschaft, wobei neben Vorschlägen von Grünen und Linken ein überraschender Vorstoß von christdemokratischer Seite in den Blickpunkt rückt:
Um die Medienhäuser zu sichern, könnte sich Vincent Kokert, Chef der CDU-Landtagsfraktion, auch ein Finanzierungsmodell ähnlich wie das des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorstellen. ,Wir müssen über alternative Mittel wenigstens einmal nachdenken', so Kokert. Einen Eingriff in die Pressefreiheit sehe er darin nicht. (...) In Dänemark gebe es staatliches Geld, um den Medienpluralismus zu gewährleisten. Die Besetzung des bewilligenden Gremiums garantiere, dass eine politische Einflussnahme ausgeschlossen ist. (...) Kokert, der seine Ideen beim Medienpolitischen Stammtisch der Gewerkschafts-Initiative ,Unser Land braucht seine Zeitungen. Qualität und Vielfalt sichern' heute in Schwerin diskutieren will, zeigte sich besorgt über den Konzentrationsprozess in der deutschen Verlagslandschaft.“

09.03.2016
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.02.2016

Rabaukenjäger-Fall: Großer Wildwechsel

Die FAZ übt scharfe Kritik am Urteil des Landgerichts Neubrandenburg, das eine Geldbuße gegen einen Journalisten im Nordosten bestätigte:
Es ist schon erstaunlich, mit welcher Hartnäckigkeit die Justiz in Mecklenburg-Vorpommern an der Lesart festhält, bei der Bezeichnung ,Rabauken-Jäger', die ein Redakteur des ,Nordkuriers' für einen Jäger gewählt hatte, der ein totes Reh ein paar Meter weit hinter seinem fahrenden Auto über die Landstraße geschleift hatte, handele es sich um eine strafwürdige Beleidigung. (...) Es war die der Justizministerin unterstehende Generalstaatsanwaltschaft, welche die Bezeichnung nun justitabel fand. Und das im Gegensatz zur eigentlich zuständigen Staatsanwaltschaft, zu Stimmen aus der Rechtswissenschaft und dem Deutschen Journalisten-Verband. Der ,Rabauken-Jäger', der die Anzeige wegen Beleidigung stellte, und die Justizministerin, daran darf man an dieser Stelle erinnern, gehören demselben CDU-Kreisverband an. (...) In der Summe ergibt das jedoch reichlich Gründe für den ,Nordkurier', das ,Rabauken-Jäger'-Verfahren fortzusetzen und notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Es geht nur vordergründig um heftige Polemik. Grundsätzlich geht es um die Pressefreiheit.“

11.02.2016