Betriebsrat der Ostsee-Zeitung fordert: Eigenständigkeit muss gewahrt werden!

In ihrer Rede vor den Betriebsräten aller Unternehmen des Springer-Konzerns haben die Delegierten der Ostsee-Zeitung den entscheidenden Gesellschafter des Rostocker Blattes nachdrücklich aufgefordert: Bewahren Sie die Eigenständigkeit des Hauses. Bewahren Sie die Eigenständigkeit unseres Hauses. Qualität und Vielfalt sind wichtige Werte, die es zu schützen gilt.

Bianka Lemke

In ihrer Rede ging Bianka Lemke zunächst auf die derzeitige Situation bei der Ostsee-Zeitung ein. Vor rund 100 Delegierten aus allen Betrieben des Axel Springer Verlages und dem versammelten Vorstand des Konzerns berichtete sie über die praktischen Erfahrungen mit der neuen Druckmaschine und den Arbeitszeitregelungen für Redakteure. Deutlich kritisierte sie die überraschende Kündigung dieser Vereinbarung nach wenigen Monaten durch die Geschäftsleitung und kündigte ein entschlossenes Vorgehen der betrieblichen Interessenvertretung an: „Also werden wir schnell Verhandlungen aufnehmen, um eine Nachfolge-Regelung zu erreichen. Wir werden auch nicht zögern, erneut die Einigungsstelle anzurufen, um schnell zu einem Ergebnis zu kommen. Denn wir brauchen dringend Fakten.“

Unter anderem sind Arbeitszeitregelungen nötig, um die redaktionelle Qualität zu sichern. Denn diese ist akut gefährdet durch die Pläne, die Redaktionssekretariate abzuschaffen. „Wir brauchen die Kollegen. Damit die Überstunden nicht ins Uferlose wachsen. Damit die Qualität der Berichterstattung gehalten werden kann. Denn dafür brauchen die Redakteure ihre Arbeitszeit.“

Die größte Sorge des Betriebsrates ist jedoch die geplante und immer deutlicher Konturen gewinnende Kooperation zwischen den Lübecker Nachrichten und der Ostsee-Zeitung: „Der Plan, eine gemeinsame Mantelredaktion zu schaffen, zielt direkt ins Herz.

Herr Ehlers (der neue gemeinsame Geschäftsführer der Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten seit Dezember 2006) ist, im Auftrag der Gesellschafter angetreten, um aus den Lübecker Nachrichten und der Ostsee-Zeitung das „führende Medienhaus im Norden“ zu schaffen. In rasendem Tempo – Stichwort Hermes – werden die erforderlichen technischen Voraussetzungen geschaffen. Und personell ist scheinbar schon fast alles gelöst: 175 Menschen in beiden Verlagen wurden in die Altersteilzeit geschickt. Da müssen die Verbleibenden nur ein bisschen hin und her rücken, dann klappt das schon mit dem Einheits-Verlag.

Wir aber wissen: Das Leben ist anders als kühne Visionen.

Es geht zum einen um Kollegen, um Menschen, denen es aus vielen Gründen nicht gleichgültig ist, ob sie nun künftig in Rostock, in Lübeck oder sonst wo arbeiten.

Wichtiger noch: Es geht um die Identität der Ostsee-Zeitung. Die Menschen zwischen Usedom und Grevesmühlen lesen ihre Heimatzeitung, weil sie von hier ist. Mit ihren Stärken und trotz ihrer Schwächen.

Eine gemeinsame Mantelredaktion in Lübeck – so der scheinbare Stand der Pläne – stellt dieses Erfolgsrezept in Frage. Ja, auch der Mantel gehört zu einer guten Regionalzeitung, genauso wie personell ausreichend ausgestattete Lokalredaktionen, Verlagsabteilungen und eine funktionierende Technik vor Ort.

Dieser Plan einer faktischen Zusammenlegung der beiden Häuser stellt die Realitäten auf den Kopf: Der Mantel für die wichtigste Wirtschaftsregion Mecklenburg-Vorpommerns, für die größte Stadt des Landes, für seine vier Hochschulstandorte aus Lübeck? Das passt nicht. Das werden die Menschen in Mecklenburg und Vorpommern merken. Unsere Leser sind weder blind noch blöd.

Daher rufen wir heute Sie, als Gesellschafter der Ostsee-Zeitung auf: Bewahren Sie die Eigenständigkeit unseres Hauses. Qualität und Vielfalt sind wichtige Werte, die es zu schützen gilt.

Das erkennen, nicht zuletzt durch bedrückende Entwicklungen bei unseren Nachbarverlagen Schweriner Volkszeitung und Nordkurier immer mehr Menschen in Mecklenburg-Vorpommern. Darüber sind wir froh.

Und wir wissen die Unterstützung der ganzen Gewerkschaft ver.di, des Deutschen Gewerkschafts-Bundes und des Deutschen Journalisten-Verbandes hinter uns, wenn wir uns dafür einsetzen, dass es auch morgen noch eine Ostsee-Zeitung gibt. Von uns – für uns. Weil wir hier zuhause sind!“

8. November 2007