Proteste erfolgreich – Nordkurier nimmt Kündigungen zurück

Die Zusteller in der Mecklenburgischen Schweiz behalten ihre Arbeitsplätze und sollen einen Betriebsrat wählen dürfen. 

Sinneswandel unter Druck: 60 Zusteller der Nordkurier Logistik Mecklenburgische Schweiz GmbH & Co. KG sollen ihre Arbeit behalten und sogar Arbeitnehmervertretungen wählen dürfen. Nur Tage, nachdem Lutz Schumacher, Chef der aus mehreren Dutzend Einzelunternehmen bestehenden Neubrandenburger Mediengruppe, die Kündigungen verteidigt hatte, besann er sich nun eines Besseren. Gespräche mit einer Delegation der Betroffenen hätten ihn überzeugt, dass Qualitätsmängel in der Zustellung in dem betroffenen Gebiet nicht an den Mitarbeitern, sondern an der Organisation lägen, ließ der Manager ausrichten. Deswegen solle die Struktur geändert und künftig zwei Unternehmen mit klaren Zuständigkeiten für die Regionen Malchin/Stavenhagen und Teterow/Gnoien gebildet werden.

Tatsächliche Ursache für die neue Linie dürften massive öffentliche Proteste sein, die sich an dem Umstand entzündet hatten, dass die Schließung des bislang unbeanstandet arbeitenden Zustellunternehmens just verkündet wurde, nachdem die Mitarbeiter mit Unterstützung der Gewerkschaft ver.di einen Betriebsrat gründen wollten. Nachdem die Gewerkschaft das Thema öffentlich machte und der NDR mehrfach berichtete, schaltete sich die Landespolitik in den Konflikt ein, und Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) bot sich als Vermittler an. Nordkurier-Chef Schumacher weist nun jede Kritik zurück und lobt sich für „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit Arbeitnehmervertretern.

Der Fall beleuchtet schlaglichtartig die Situation der Medienbranche: In den vergangenen Jahren sind die meisten Verlage systematisch in immer kleinere Einheiten zerlegt worden. Die wirtschaftlich von den Muttergesellschaften meist vollkommen abhängigen Tochterfirmen können von der jeweiligen Zentrale fast nach Belieben gesteuert und gegebenenfalls eben sogar kurzfristig geschlossen werden. Die Möglichkeiten des Beschäftigten, eine wirkungsvolle Interessenvertretung zu organisieren, schwinden durch diese Struktur. In vielen Kleinstunternehmen gibt es deshalb keine Betriebsräte – von tariflich gesicherten Arbeitsbedingungen ganz zu schweigen. Eine solche „Zergliederitis“ hat unter Regie des Madsack-Konzerns auch bei der Rostocker Ostsee-Zeitung Fahrt aufgenommen, wo unter anderem Bereiche wie Vertriebslogistik, IT und Blattplanung nicht mehr zur Kernbelegschaft gehören.

Ein Lehrstück war der jüngste Nordkurier-Konflikt ebenso hinsichtlich der Berichterstattung der regionalen Tageszeitungen in eigener Sache, die die 60 Kündigungen zunächst komplett unter den Tisch kehrten. Erst als Leser des Nordkuriers auf dem Facebook-Portal des Blattes mit Abo-Kündigungen drohten, ließ sich Lutz Schumacher, Geschäftsführer und Chefredakteur in Personalunion, mit einer online verbreiteten Stellungnahme aus der Reserve locken. Vier Tage nach dem ersten NDR-Bericht rang sich schließlich auch die benachbarte Ostsee-Zeitung eine erste Meldung („Glawe vermittelt bei Zusteller-Kündigung“) ab.
16. Januar 2018