Ingo Schlütz, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Bezirk Nord

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
verehrte Abgeordnete,
sehr geehrte Damen und Herren,

gestatten Sie mir zunächst aus der Perspektive des interessierten Lesers eine Anmerkung. Es verblüffte schon etwas, die Ostsee-Zeitung am 20. Juni aufzuschlagen und auf Seite 3, der wichtigsten Seite jeder Zeitung schlechthin, den Mumien auf Schloss Gottorf ins Gesicht schauen zu müssen. Ist das wirklich der „Blickpunkt“ für Mecklenburg-Vorpommern?
Damit wir uns nicht missverstehen: Mir geht es nicht um Mecklenburger oder Vorpommersche Mumien, mir geht es um Vielfalt und Relevanz in der Berichterstattung unserer Tageszeitungen.

Wo die gefährlichen Entwicklungen liegen, beantworten die Einzeitungen des Landes  manchmal in beeindruckender Offenheit selbst. Was haben die Leser der Ostsee-Zeitung von der aktuellen Stunde des Landtages zum Pressewesen vor zwei Wochen erfahren? Nicht eine Zeile.

Nordkurier und Schweriner Volkszeitung berichteten zwar, was in Anbetracht der Umstände Respekt verdient. Doch von Personalabbau oder Tarifausstieg im eigenen Haus war dort auch nichts zu lesen.

Noch ein Beispiel: Vom Projekt der Kooperation mit den Lübecker Nachrichten erfuhren die Leser der Ostsee-Zeitung bis zum April dieses Jahres nichts. Auch danach blieb man ausgesprochen einsilbig, ganz im Gegensatz zum Schwesterblatt in Lübeck, wo „Deutschlands spannendstes Zeitungsprojekt“ breiten Raum fand. Welche unterschiedlichen Perspektiven für die beiden Standorte Rostock und Lübeck lässt diese völlig unterschiedliche Berichterstattung  wohl erwarten?

Wir brauchen eine Regionalpresse, die ihren Namen verdient. Die von qualifizierten, anständig bezahlten Journalisten und weiteren Mitarbeitern hier bei uns, hier in Mecklenburg-Vorpommern, produziert wird. Gute Arbeitsbedingungen fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund nicht nur als Anwalt der Beschäftigten, sondern auch als politischer Akteur.

Niemand kann glauben, dass schlechte Arbeitsbedingungen ohne Auswirkungen auf die Qualität bleiben. Das Outsourcing von Lokalredaktionen, der Personalabbau in den Zeitungsverlagen, der Weg raus aus der Tarifbindung – dies alles orientiert sich an der Interessenlage der Gesellschafter, nicht aber an den Leserbedürfnissen und den Erwartungen der Öffentlichkeit nach breiter und umfassender Information.

Dass breite und umfassende Information über höchst relevante Themen nicht immer gelingt, will ich an folgendem Beispiel zeigen: Als am 8. Juli das neue Landesarbeitsmarktprogramm „Arbeit durch Bildung und Innovation“, mit dem die über 500 Millionen Euro des Europäischen Sozialfonds in der Förderperiode 2007 bis 2013 administriert werden, vom Wirtschafts- und Arbeitsminister gemeinsam mit Vertretern der Vereinigung der Unternehmerverbände und des DGB in der Landespressekonferenz ausführlich vorgestellt wurde, gab es lediglich im Nordkurier hierzu einen eigenen Bericht, OZ und SVZ brachten die dpa-Meldung als kleine Zwei- bzw. Dreispalter. Eine kritische Bewertung der Neuausrichtung des ESF und seiner Förderschwerpunkte, die für sehr viele Menschen in MV unmittelbare Auswirkungen haben werden, fand nicht statt.

Sehr geehrte Abgeordnete der demokratischen Fraktionen, helfen Sie mit, Qualität und Vielfalt unserer Zeitungen dauerhaft zu sichern!

Der DGB erwartet, dass Landtag und Landesregierung ihrer Verantwortung für eine freie Presse in Mecklenburg-Vorpommern gerecht werden. Vorschläge zur Überarbeitung des Landespressegesetzes liegen seit Jahren in den Schubladen. Es ist höchste Zeit, dass sie auf den Tisch kommen.


17. Juli 2008