Streikende Journalisten vor der Ostsee-Zeitung.

Journalisten der Ostsee-Zeitung streiken und diskutieren weitere Strategie

Mit ihrem Ausstand unterstützt die Redaktion der auflagenstärksten Tageszeitung im Nordosten die bundesweiten Tarifverhandlungen und wehrt sich gegen eine Schlechterstellung angesichts wachsender Belastungen durch den drohenden Verlust eines Viertels der Stellen. Bei den sich seit Monaten hinziehenden Verhandlungen mit dem Betriebsrat hat die Leitung allen Alternativvorschlägen eine Absage erteilt.

Journalisten der Ostsee-Zeitung sind erneut in einen Warnstreik getreten. Mit ihrem Ausstand unterstützten Redakteure, Volontäre und Pauschalisten bei Mecklenburg-Vorpommerns größter Tageszeitung – Auflage 136 000 – die Forderung nach einer Erhöhung der Einkommen angesichts ständig zunehmender Arbeitsaufgaben.

„Der die OZ beherrschende Madsack-Konzern versucht – trotz guter wirtschaftlicher Ergebnisse des Blattes – einen massiven Personalabbau in der Redaktion durchzudrücken“, erklärte Corinna Pfaff, Geschäftsführerin des Deutschen Journalisten-Verbandes Mecklenburg-Vorpommern (DJV).  „In einer solchen Situation auch noch eine Schlechterstellung der Journalisten im Nordosten zu fordern, wie das in den vorangegangenen Verhandlungsrunden mehrfach geschehen ist, bedeutet eine Provokation, die die Kollegen jetzt beantworten“, betonte Dörte Kutzner von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di).

Bei einer Versammlung in Rostock berieten die in beiden Gewerkschaften organisierten Streikenden das weitere Vorgehen. Dabei war neben der aktuellen Tarifrunde die betriebliche Situation ein zentrales Thema. Denn in den sich seit Monaten hinziehenden Verhandlungen mit der Geschäftsleitung über den als „Zukunftsprogramm Madsack 2018“ verbrämten Abbau hat der Betriebsrat bislang keinen Durchbruch erreicht. Die Leitung hält unverändert an dem Ziel fest, die Redaktion bis Ende 2018 auf 91 Vollzeitstellen zu schrumpfen – das bedeutet den Abbau jeder vierten Stelle.

Wie die bereits jetzt stark belastete Redaktion das stemmen soll, bleibt den meisten Mitarbeitern ein Rätsel. Sie fürchten personellen Verschleiß und erhebliche Abstriche an der Qualität. Die Chefetage verkündet indes unverdrossen, alles mit einer neuen Organisationsstruktur auffangen zu können. Die Zentralisierung der Zeitungsproduktion an den Standorten Rostock und Stralsund – dort sollen künftig Innendienst-Redakteure an sogenannten Desks alle Seiten layouten und redigieren – werde es schon richten.

Ein ehrgeiziges Ziel. Wenn, wie vom Betriebsrat berechnet, ein Innendienst-Redakteur jeden Tag bis zu sechs Zeitungsseiten produzieren soll, bleibt kaum mehr Zeit, um inhaltliche Fehler auszubügeln. Das Madsack-Management machte eine andere Rechnung auf. 90 Minuten seien für die Fertigstellung einer Seite ausreichend. Das hätten die Erfahrungen aus anderen Standorten, wie Leipzig oder Potsdam, gezeigt.

Als Antwort diskutierten die Streikenden über Möglichkeiten für eine tarifliche Besetzungsregelung in Redaktionen. Ähnliche Vereinbarungen gibt es seit vielen Jahren in den technischen Bereichen der Zeitungshäuser, wo verbindlich festgelegt wurde, wie viele Facharbeiter und Helfer die jeweils eingesetzten Aggregate zu bedienen haben. Auch in anderen Branchen streben Gewerkschaften inzwischen ähnliche Regelungen an, um die Beschäftigten vor Überlastung zu schützen. So gelang ver.di erst kürzlich ein Abschluss eines Tarifvertrags zur Besetzung an der Berliner Charité.
16. Juni 2016