Journalistentag fordert: Der Norden braucht seine regional verbundenen und unabhängigen Zeitungen.

Mit einer Resolution hat der 21. Journalistentag der Fachgruppe Medien in Berlin die Forderung nach Sicherung von Qualität und Vielfalt in den regionalen Tageszeitungen im Norden unterstützt. Die 150 Journalistinnen und Journalisten aus ganz Deutschland solidarisierten sich mit den Streikenden beim Nordkurier und verurteilten die Pläne zur Bildung einer Gemeinschaftsredaktion von Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten als Bedrohung für das publizistische Potenzial der beiden Zeitungen.

Der Norden braucht seine regional verbundenen und unabhängigen Zeitungen.

Die TeilnehmerInnen des 21. Journalistentages der Fachgruppe Medien in ver.di am 24. November in Berlin, rufen die Verleger der regionalen Tageszeitungen in Mecklenburg-Vorpommern du Schleswig-Holstein zur Sicherung der journalistischen Eigenständigkeit der Zeitungen auf. Es gilt Qualität und Vielfalt, die Arbeitsbedingungen aller Beschäftigte und die demokratische Mitbestimmung der Redaktionen zu stärken und auszubauen.

Insbesondere die Pläne, Beschäftigte der Ostsee-Zeitung und der Lübecker Nachrichten in eine Gemeinschaftsredaktion zu verschieben, bedrohen das publizistische Potenzial der beiden Zeitungen.

Berlin, 24. November 2007

„Es gilt Qualität und Vielfalt, die Arbeitsbedingungen aller Beschäftigte und die demokratische Mitbestimmung der Redaktionen zu stärken und auszubauen“, erklärten die Teilnehmer des Treffens.  Vor dem Missbrauch von Newsdesk und ausgelagerten Gemeinschaftsredaktionen zum Abbau von Arbeitsplätzen und von publizistischer Vielfalt hatte Robert Haberer von der Ostsee-Zeitung in Rostock gewarnt. Diese wie auch die Lübecker Nachrichten sollen als eigenständige Zeitungen in ausgelagerte Unternehmensteile zerlegt werden.

Der Sprecher der Fachgruppe Medien im Landesbezirk Nord berichtete zudem vom Streik der Beschäftigten der Nordkuriers gegen die Zerschlagung des Verlages. Deren mutiger Einsatz erntete spontanen Applaus.

Thema des Journalistentages war die neue multimediale Medienwirtschaft als Chance wie auch Risiko für den Journalismus. In mehreren Vorträgen wurden verschiedene Modelle industrialisierter Presse- und Rundfunkproduktion, wie sie schon heute in Redaktionen praktiziert werden, vorgestellt und erörtert. Im Kern ging es um die Frage, welchen Beitrag „Journalismus als Beruf und Berufung“ zu anspruchsvoller gesellschaftlicher Kommunikation unter radikal veränderten Produktionsbedingungen leisten kann und muss.

Für Frank Werneke, stellvertretender Vorsitzender von ver.di steht die „berufspolitische Erneuerung“ zusammen mit Tarif- und Betriebspolitik im Mittelpunkt einer Debatte um publizistische Qualität. Sie in den medialen Umbrüchen zu sichern, bedürfe es nicht nur Erörterungen wie beim 21. Journalistentag, sondern auch der Einmischung der Gewerkschaften in die Gestaltung der rundfunkpolitischen Zukunft. Dazu fand am Vortag eine Expertentagung statt und Werneke kündigte weitere derartige „Veranstaltungen im Doppelpack“ an.

Auf eine neue „Ökonomie des Journalismus“ in der medienkonvergenten Content-Industrie, die derzeit entsteht, verwies Martin Dieckmann als medienpolitischer Referent von ver.di. In seinem Eröffnungsreferat analysierte er den Wandel der Profession vom kreativen Handwerk hin zur arbeitsteilig-industriellen Medienproduktion. Ausdruck dessen seien neue Formen wie Newsrooms, Newsdesk und Newspools in den Redaktionen, die zugleich Chancen und Risiken für Kreativität und publizistische Qualität bieten.

Das Internet sei dabei kein Medium, sondern vorrangig Plattform und wichtiger digitaler Vertriebsweg, führe aber nicht automatisch zu mehr publizistischer Vielfalt, sondern zunächst zur explosionsartigen Vervielfältigung der Verbreitungsmöglichkeiten. Wachse nicht zugleich die Herstellung von multimedialen Inhalten, führe das nur zu „vielfältiger Einfalt“.

Mehr als je zuvor seien freie wie auch feste Journalisten gefordert, nicht einfach nur als Content-Lieferanten zu agieren. Nach wie vor prägten Qualität, Sorgfalt, Meinungsvielfalt und -freiheit, Information statt Entertainment sowie die klare Trennung von Journalismus und PR/Werbung den Beruf.

Über negative wie auch positive Erfahrungen bei der Einführung multimedialer Arbeit in Redaktionen berichteten Kollegen vom Axel Springer Verlag (u.a. Welt, Welt am Sonntag, Berliner Morgenpost) , der Main-Post in Würzburg, beim Saarländischen Rundfunk und der „Neuen Presse“ in Hannover.

Dietmar Schantin von der weltweit als Verlagsdienstleister agierenden ifra in Darmstadt demonstrierte mit dem Newsplex-System, wie medienkonvergenter Journalismus und crossmediale Redaktionspraxis in Zeitungen eingeführt werden kann. Dies erfordere aber neues Denken und neue Einstellungen sowie Training von neuen Fähigkeiten und Kompetenzen. Sein Appell an Verlags- und Redaktionsleitungen: Erfolg hat nur der, der alle Journalisten bei diesem Transformationsprozess mitnimmt.

Dies bestätigte auch Prof. Klaus Meier von der Hochschule Darmstadt, an der seit sechs Jahren Online-Journalisten ausgebildet werden. Zugleich appellierte er an die Teilnehmer des dju-Journalistentages in Berlin, „Veränderungen des Berufs als Chance für etwas Neues“ zu verstehen. Der Vorsitzender der Fachgruppe Medien in ver.di, Werner Ach vom ZDF, rief die Journalistinnen  und Journalisten in seinem Schlusswort auf,  für die „Aufrechterhaltung tariflicher und publizistischer Qualitätsstandards in der konvergenten Medienwelt“ aktiv einzutreten.

24. November 2007