Auf dem Podium für einen professionellen Journalismus Guido Keel, Prof. Beatrice Dernbach, Moderatorin Kathrin Gerlof, Domenika Ahlrichs und Prof. Günther Rager (v.l.).

Journalistentag fordert Sicherung von Qualität und Vielfalt

Das Spannungsfeld zwischen Produktivität und Qualität im Arbeitsalltag der Medien leuchtet der 22. Journalistentag aus. Mangelnde Ressourcen durch Personalabbau und Arbeitsverdichtung sowie Defizite in der Ausbildung standen im Mittelpunkt der Diskussion.

„Qualität im freien Fall“ komme einem „Selbstzerstörungsmechanismus für die Medien“  gleich, warnte Manfred Protze, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen  Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di auf dem 22. Journalistentag in Berlin. Die 150 Teilnehmer der Tagung zur „Journalismus heute - Spannungsfeld zwischen Produktivität und Qualität“ verabschiedeten eine Resolution, die die Sorge wegen der aktuellen Entwicklungen auf dem deutschen Pressemarkt artikuliert. Nicht nur hunderte journalistische Arbeitsplätze fielen akuten Sparmaßnahmen der Verlagsmanager zum Opfer, auf der Strecke bleibe auch die Pressevielfalt, und damit ein wesentliches Element der Meinungsfreiheit, heißt es in dem Papier. An die politisch Verantwortlichen richtete sich der Appell, die Presse als unverzichtbaren Bestandteil der Demokratie zu fördern und Meinungsvielfalt zu erhalten.

Die Teilnehmer informierten sich auch über die Initiative „Unser Land braucht seine Zeitungen. Qualität und Vielfalt sichern.“

Für eine „Reprofessionalisierung“ journalistischer Tätigkeit in der Praxis und für eine „Entschleunigung“ der sich wandelnden Berufsdefinition hatten sich zuvor mehrere Referenten ausgesprochen. Prof. Beatrice Dernbach von der Universität Bremen rief dazu auf, den Journalismus trotz rasanter technischer Entwicklungen in der praktischen Tätigkeit „mehr von seiner Funktion, seinen Aufgaben und Zielen in der Gesellschaft“ her zu definieren. Nicht alles, was Content bilde, sei wirklich journalistischer Inhalt.

Kreativität benötigt ausreichend Freiräume

Vor dem Hintergrund empirischer Untersuchungsergebnisse, die Trends zur Mehrfachverwertung journalistischer Produkte und wachsende technische und Anforderungen bestätigten, forderte Dr. Lutz Michel, MMB-Institut Essen, Tendenzen einer Deprofessionalisierung bewusst entgegenzuwirken.  Journalismus drohe zur Randaufgabe in der täglichen Medienarbeit zu werden. Besser sollten Journalisten technisch-organisatorische „Aufgaben an Assistenten abgeben“. Das schaffe mehr Zeit für Recherche und Reflexion.

„Ohne die Freien geht hier gar nichts“, so Florian Schwinn, freier Hörfunkjournalist aus Frankfurt/Main,  zum wachsenden Anteil Freier an der Produktion von Programm und Inhalt. Freie hätten „nicht einmal die Freiheit, sich bei ihrer Arbeit für Qualität zu entscheiden“, da erarbeitete Qualität „sehr viel mit dem Einsatz von Zeit zu tun“ habe, die bezahlt werden müsse. Er bezeichnete die Freien als schnell zu feuernde „Zeitarbeiter der Medienbranche“, die einer zunehmenden Mehrfachausbeutung unterliegen. Doch forderte er seine Kolleginnen und Kollegen auf, sich weiterzubilden, um künftig zumindest bimedial professionell arbeiten zu können.

Domenika Ahlrichs, Chefredakteurin der Berliner netzeitung, brach eine Lanze für den professionellen Wert von Online-Journalismus. In dem schnellen Medium sei unmittelbare Rückmeldung und Überprüfung durch die Nutzer „nur einen Klick entfernt“.

Akademische Ausbildung setzt Standards

Mit dem Wert einer hochschulgebundenen Journalistenausbildung und deren finanziellen, organisatorischen, personellen und wissenschaftlichen Problemen befasste sich Prof. Günther Rager von der Universität Dortmund. Er betonte die „gesellschaftliche Notwendigkeit einer akademischen Journalistenausbildung“ als einem Zugangsweg in den Beruf, der qualitätsstiftend wirke.

Die Bedeutung von Qualitätsmanagement sowohl in der Journalistenausbildung als auch als Instrument in der Medienpraxis betonte Guido Keel, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Er plädierte für die Implementierung von Standards in der redaktionellen Produktion, die Qualitätsziele, Prozesse zu ihrer Überprüfung und ausreichende personelle Ressourcen sichern sollen.

Die aktuelle Veranstaltung knüpfte an den Journalistentag des Vorjahres an. 2007 untersuchten die Teilnehmer den  Wandel der Profession vom kreativen Handwerk hin zur arbeitsteilig-industriellen Medienproduktion. Bei Neuerungen wie Newsrooms, Newsdesk und Newspools in den Redaktionen wurden zugleich Chancen und Risiken für Kreativität und publizistische Qualität ausgemacht. Die Beiträge sind als gedruckte Dokumentation zu bestellen. Auch vom Journalistentag 2008 wird ein entsprechender Band erarbeitet.

30. November 2008