Landtag diskutiert Medienbericht

Der erste Bericht zur Medienlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns hat der öffentlichen Debatte zusätzlich Schwung gegeben: Der Innenausschuss im Schweriner Landtag nimmt sich erneut des Themas an. Die Initiative „Qualität und Vielfalt sichern“ dringt auf eine Überarbeitung des Landespressegesetzes.

Nach einer einstündigen Debatte am Abend folgten die Abgeordneten aller demokratischen Fraktionen im Schweriner Landtag dem Antrag der CDU, den ersten Bericht zur Entwicklung der Medienlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern zur weiteren Beratung in den Innenausschuss zu überweisen. Dort soll vor allem beraten werden, welche Maßnahmen der Gesetzgeber ergreifen kann, um die Entwicklung von Presse, Rundfunk und Online zu sichern.

Abendliche Debatte im Schweriner Schloss mit breitem Konsens: Die Medien brauchen die Aufmerksamkeit der Politik.

Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) bekräftigte bei der Vorstellung des vom Landtag angeforderten Berichts die zentrale Bedeutung der Presse für die Demokratie und benannte „bedenkliche Entwicklungen“ der letzten Jahre: Weniger Mitarbeiter, Zusammenlegung von Redaktionen, Arbeitsverdichtung, mehr freie Journalisten und Verlagerung von Geschäftsteilen seien dazu nur einige Stichworte.

„Bei allem Verständnis dafür, dass Zeitungen wirtschaftlich arbeiten müssen, ist es wichtig, dass Synergien nicht auf Kosten der Nähe zum Geschehen gehen, dass Vielfalt und Qualität nicht darunter leiden“, sagte der Ministerpräsident. Er hob hervor, dass die Stärke der Regionalzeitungen gerade in der Verankerung vor Ort besteht und forderte die Abgeordneten auf: „Lassen Sie uns darüber nachdenken, wie wir eine vielfältige und qualitativ hochwertige Medienlandschaft in unserem Land sichern.“

Dem Aufruf schloss sich Andreas Bluhm (Linke) mit einem engagierten Plädoyer für eine Verbesserung des Medienberichts an: Es genüge nicht, sich auf allgemein zugängliche Quellen zu stützen. Es müssten durch eine unabhängige Instanz, mit wissenschaftlichen Mitteln Daten erhoben und vorhandene Angebote bewertet werden, um ein vollständiges Bild zu gewinnen.

KOMMENTIERT

Aller Anfang ist schwer

In der Kürze liegt die Würze? 24 Seiten für einen Abriss über die Entwicklung der kompletten Medienlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns in den vergangenen Jahren sind ein äußerst eng gesteckter Rahmen. Für einen genaueren Blick auf die Gefahren, die der zunehmende Verlust an Qualität und Vielfalt mit sich bringt, bleibt da kaum Platz.

Trotzdem ist  das Papier für die von der Initiative „Unser Land braucht seine Zeitungen. Qualität und Vielfalt sichern.“ angestoßene Debatte ein Meilenstein. Zeigt es doch, wie ernst es um die Medien in Meckleburg-Vorpommern steht. Drastischer Personalabbau bei der Schweriner Volkszeitung, Aufsplitterung des Nordkuriers in diverse Tochterverlage, Produktion großer Teile des Mantels der Ostsee-Zeitung in Lübeck sind deutliche Indikatoren. Ebenso alarmierend ist eine weitere Zahl, die der Bericht nennt: Zwischen 2004 und 2007 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäfigten in den Presseunternehmen um fast 14 Prozent gesunken. Gleiches gilt für die Auflagenentwicklung, ging doch bei den Regionalblättern die Zahl der verkauften Zeitungen pro 1000 Einwohner von 1996 bis 2006 um rund 30 Prozent zurück.

Dass es sich hier um einen sich gegenseitig verstärkenden Teufelskreislauf handeln könnte, sagt der Bericht nicht. Aber immerhin wird die kontroverse Debatte zu Medienlandschaft und Meinungsvielfalt in MV auf drei Seiten skizziert. Ebenso knapp beleuchtet der Bericht die Bereiche Rundfunk, Fernsehen, Anzeigen-Blätter und Online-Portale. Tenor: Die Breite der Medienangebote in Mecklenburg-Vorpommern habe in den letzten Jahren zugenommen. Die Verflechtung von Zeitungsverlagen mit den Privatsendern, zum Beispiel über die MV Beteiligungsgesellschaft, wird allerdings nicht thematisiert, gleiches gilt für die zum  Teil erheblichen  Schwächen dieser Angebote.

Mitunter schreibt der Bericht – wohl eher unabsichtlich – die Lage schön. Dass Mecklenburg-Vorpommern mit insgesamt 36 Lokalausgaben von Tageszeitungen nur noch von Sachsen-Anhalt (42) übertroffen werde, klingt gut, stimmt aber leider nicht: Tatsächlich liegt das Land bundesweit auf dem viertletzten Platz, lässt nur Bremen, Hamburg und das Saarland hinter sich.

Bleibt das Fazit: Aller Anfang ist schwer, zumal sich die Verfasser mit dem Problemen herumschlagen mussten, dass das Land keine eigenen Daten für den Medienbereich erhebt, der Bericht fußt daher ausschließlich auf öffentlich zugänglichen Quellen. Hier ist Nachbesserung nötig.

Service: Der Bericht zur Entwicklung der Medienlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern (Drucksache: 5/2824) ist als PDF-Dokument online verfügbar.

Die Überarbeitung des Landespressegesetzes sei angesichts immer offenkundiger werdender Qualitätsmängel geboten, um durch eine „Kultur der Mitsprache und Mitwirkung“ den Journalisten den Rücken zu stärken. In der inneren Pressefreiheit liege die Antwort auf die nicht mehr vorhandene Auswahl an unterschiedlichen Titeln auf dem regionalen Zeitungsmarkt. Bluhm warnte vor übertriebenen Hoffnung auf die neuen Medien: Der Vielfalt der Verbreitungswege stünde oft eine Verarmung der Inhalte gegenüber.

Trotz einzelner Defizite bewertete Armin Jäger (CDU) das Papier als gute Grundlage für die weitere Diskussion. Er wandte sich nachdrücklich gegen staatliche Eingriffe in die Presse, bilanzierte aber gleichzeitig Handlungsbedarf bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Eine Transparenz über Besitz- und Beteiligungsverhältnisse in einer allgemein verständlichen Form sei ebenso unerlässlich wie ein verbesserter Schutz geistigen Eigentums. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen forderte Jäger der Verzicht auf weitere Werbeverbote und eine kritische Überprüfung kommunaler Amtsblätter. Diese seien vielfach längst über ihren eigentlichen Zweck öffentlicher Bekanntmachungen hinausgewachsen und betrieben, subventioniert durch Steuergelder, Werbekonkurrenz zur Presse.

Impulse in der Ausbildung sieht der CDU-Medienmann als Möglichkeit, etwas für die Qualität der Berichterstattung zu tun. Er machte dabei auf die soziale Verantwortung der Verleger aufmerksam: Der Journalistenberuf müsse attraktiv bleiben, wenn man wirklich die Besten für ihn gewinnen wolle. Eine Perspektive als Freier Mitarbeiter bei magerem Zeilenhonorar schrecke vom harten Weg über Studium und Volontariat ab.

Ute Schildt (SPD) unterstrich die Forderung nach „angemessenen Arbeitsbedingungen“, die durch Tarifverträge geregelt seien. Wenn Mecklenburg-Vorpommern durch den Verlust an Arbeitsplätzen in der Medienbranche weiter zur reinen Konsumentenregion degradiert werde, drohe eine eintönige Zeitungslandschaft durch ein „billig produziertes Einheitsangebot“. Sie betonte die Bedeutung des regionalen Blickwinkels auf überregionale Themen, was entsprechende Kompetenz vor Ort voraussetze.

Forderung an Politik: Land muss Vorreiter in Medienpolitik werden

Die Partner der Initiative „Unser Land braucht seine Zeitungen. Qualität und Vielfalt sichern.“ haben die Entscheidung des Landtags begrüßt. Den Bericht zur Medienlandschaft und die angekündigten Beratungen im Innenausschuss sehen sie als wichtige Schritte zum überfälligen größeren Engagement der Politik für die Sicherung der regionalen Presse. „Die Gefahren für Qualität und Vielfalt in Form von weiter zunehmender Konzentration, Personalabbau und Ausgliederungen sind benannt“, erklärte Ernst Heilmann, vom Landesbüro der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di).

Diese Bestandsaufnahme gelte es nun zu verstetigen und durch eine laufende wissenschaftliche Begleitung zu bereichern. „Dieser Punkt gehört ebenso dringend in die überfällige Überarbeitung des Landespressegesetzes wie eine echte Transparenzpflicht der Verlage gegenüber der Öffentlichkeit über ihre Besitz- und Beteiligungsverhältnisse sowie die jeweiligen publizistischen Grundsätze“, fordert Sibylle Ekat, Landesgeschäftsführerin des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV).

„Angesichts der fundamentalen Bedeutung der Presse für eine funktionierende Demokratie kann sich der Gesetzgeber auch einer Stärkung der redaktionellen Mitsprache nicht länger verschließen“, so Ingo Schlüter vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Sie allein biete eine Sicherung gegen Meinungsmonopole, da die Auswahl an Zeitungen in Mecklenburg-Vorpommern mittlerweile beschränkter sei als irgendwo sonst in Deutschland. „Die Politik in Mecklenburg-Vorpommern muss hier eine Vorreiterrolle einnehmen.“

22. Oktober 2009