Landtag macht Tarifflucht und Übergriffe auf Betriebsräte zum Thema

Begleitet von einer Protestkundgebung streikender Journalisten der Ostsee-Zeitung, debattiert der Schweriner Landtag die Situation der Medien im Nordosten. Die SPD muss sich Kritik an ihrer Rolle als größter Gesellschafter der Mediengruppe Madsack erwehren.

Streikende OZ-Journalisten vor dem Schweriner Schloss.

Urheber: Diedrich Bierwagen

Die Situation bei der Ostsee-Zeitung (OZ) und anderen Medienhäusern Mecklenburg-Vorpommerns beschäftigt den Landtag. Vor dem Schweriner Schloss protestieren streikende Journalisten gegen den Stillstand bei den aktuellen Tarifverhandlungen und schlechte Arbeitsbedingungen, im Plenarsaal mahnt die Opposition die Große Regierungskoalition zum Handeln: Wenn – wie bei der OZ geschehen – einen Tag vor einer Betriebsratswahl 32 Mitarbeiter einer für Abo-Werbung zuständigen Tochterfirma die Kündigung erhielten, das Management die Interessenvertretung bei Verhandlungen über Provisionen mit Ausgliederungsdrohungen unter Druck setze und Neu-Einstellungen nur noch bei tariflosen Tochterfirmen erfolgten, dann würden „Arbeitnehmerrechte mit Füßen getreten“, so Linken-Wirtschaftsexperte Henning Foerster.

Für das Rekord-Ergebnis der größten Tageszeitung im Nordosten mit einer Auflage von immer noch 125.000 Exemplaren, die laut Bilanz 2016 immerhin 8,4 Millionen Euro in die Kassen des Madsack-Konzerns spülte, hätten die Beschäftigten bluten müssen – erkennbar an einem um fast 13 Prozent reduzierten Personalaufwand. Deswegen seien die Forderungen der Gewerkschaften nach einer Anhebung der Gehälter und Honorare über der Inflationsrate und vor allem einer Besserstellung der freien Mitarbeiter berechtigt – zumal sie auch als Leitmarke für die anderen, inzwischen tariflosen Verlagshäuser Schweriner Volkszeitung und Nordkurier dienten.

Wie die Streikenden sieht die Linke vor allem die regierende SPD in einer besonderen Verantwortung. Schließlich ist die Partei-Medienholding ddvg mit 23 Prozent größter Gesellschafter Madsacks. Es gehe darum, gemeinsam „Haltung zu zeigen“.  

Die zeigt Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) prinzipiell „wenn es notwendig ist – aber nicht heute“. Immerhin bietet er sich als Vermittler an, wenn die Verhandlungen zwischen Betriebsparteien und Gewerkschaften zu keinem Ergebnis kämen.

AfD-Mann Ralph Weber gibt mit seinen Tiraden, dass ihm Lücken im Geldbeutel der „Lückenpresse“ gut gefielen, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) die Gelegenheit, unter Applaus gegen das Gebaren der Rechtspopulisten vorzugehen, beim eigentlichen Thema aber im Ungefähren zu bleiben.

So vermeidet die Regierungschefin eine klare Stellungnahme zu den Entlassungen unmittelbar vor der Betriebsratswahl und bleibt auch eine Erklärung schuldig, was die Gespräche der Nordost-SPD mit der ddvg ergeben hätten. Stattdessen ein staatstragender Verweis auf die Bedeutung der Pressefreiheit für die Demokratie. Die schwierige Situation des Journalismus angesichts der aktuellen Umbrüche durch die Digitalisierung solle nicht „parteipolitisch genutzt“ werden.

Deutlichere Worte findet SPD-Fraktionschef Thomas Krüger. Er zieht Parallelen zwischen den Vorkommnissen bei der OZ und beim Nordkurier, wo Anfang des Jahres 60 Mitarbeiter einer Zustell-Firma nur durch öffentlichen und politischen Druck vor der Entlassung bewahrt werden konnten, nachdem sie einen Betriebsrat gründen wollten. „Dieses Geschäftsgebahren kritisieren wir.“ Die Sozialdemokraten „wollen Tariflöhne, starke Betriebsräte und Gewerkschaften“ und setzten sich dafür auch bei ihren Beteiligungen ein. Krüger zeigt sich offen für eine Diskussion über Zukunft des Journalismus in Mecklenburg-Vorpommern, denn gute Arbeitsbedingungen seien eine wesentliche Voraussetzung für Qualität.

Auf konkrete Schritte wollen sich die Regierungsparteien im Plenum freilich nicht festlegen, obwohl Eva-Maria Kröger (Linke) sie noch einmal daran erinnert, dass angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Lage aus Ausdünnung der Redaktionen und wachsendem Arbeitsdruck Eile geboten sei. Eine Wiederauflage des 2009 beschlossenen Berichts zur Situation der Medien und die noch länger versprochene Überarbeitung des Landespressegesetzes, um unter anderem mehr Transparenz über Besitz- und Beteiligungsverhältnisse in den Medienunternehmen zu schaffen – Ankündigungen habe es von Seiten der Koalitionsfraktionen reichlich gegeben.  „Passiert ist leider nichts“. Mit der Qualität der Zeitungen im Land sei es unterdessen weiter abwärts gegangen.

„Es ist wichtig, dass die Politik erkannt hat, dass Arbeitsbedingungen und Qualität der Medien in einem engen Zusammenhang stehen“, sagt DJV-Landesgeschäftsführerin Corinna Pfaff nach der Debatte. „Das Angebot, zu diesen Themen im Gespräch zu bleiben und gemeinsam nach Lösungen  zu suchen, nehmen wir gern an“, erklärt Martin Dieckmann von der Gewerkschaft ver.di.

31. Mai 2018