Vorbild Madsack? „Es geht auch anders! Es geht auch sozial!“

Während bei der Ostsee-Zeitung die Geschäftsleitung mit harter Hand eine Umstrukturierung einseitig auf Kosten der Beschäftigten durchpeitschen will, hat man beim Mutterkonzern in Hannover sozial verantwortliche Lösungen erstritten.

Rainer Butenschön.

Der Journalist und Gewerkschaftsaktivist Rainer Butenschön ist ehrenamtlicher Landesvorsitzender der ver.di-Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie in Niedersachsen/Bremen und Vorsitzender des Betriebsrats in der Verlagsgesellschaft Madsack, Hannover. Seit Ende November besitzt der Konzern endgültig die Mehrheit an Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten.

Welche Bedeutung hat die Situation bei der Ostsee-Zeitung für den Madsack-Konzern?

Butenschön: Rostock ist ein Testfall. Wenn hier – aus Sicht des Managements – erfolgreich und ungestraft vom Kurs abgewichen werden kann, Umstrukturierungen sozial verträglich zu gestalten, dann hat das absehbar Signalwirkung auf alle Teile von Madsack.

Dort geht es aber auch nicht ohne Konflikte...

Ja, das Leben ist selten konfliktfrei. Aber die Konfliktlösungen, die bislang und aktuell bei der Verlagsgesellschaft Madsack in Hannover gefunden wurden, zeigen doch: Es geht auch anders! Es geht sozial verantwortungsvoll. Es geht ohne Kündigungen und stattdessen mit Regelungen, die die neuen Strukturen und die Interessen der Mitarbeiter zumindest auf absehbare Zeit unter einen Hut bringen.

Worin bestehen diese Lösungen?

Madsack ist dabei, sich eine neue Struktur zu geben. Bei der Verlagsgesellschaft in Hannover bedeutet das seit einiger Zeit, das verschiedene  Abteilungen in Tochterfirmen ausgelagert werden. Die Argumentation des Managements heißt: Die kleinen Tochter-Schiffe seien wendiger am Markt. Das heißt aber auch: Sie gehen bei schwerer See und hohem Marktdruck schneller unter, wenn es keine Rettungsboote gibt oder wenn das Mutterschiff  nicht zu Hilfe kommt.

Mit phantasievollen Aktionen haben die aktuell Betroffenen, die „ausgebooteten“ wie sie sich nennen, ihre Sorgen ,Nöte und berechtigten Ängste deutlich gemacht. So konnte durchgesetzt werden, dass alle Beschäftigten, die in eine neue Gesellschaft übergehen, einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen für mindestens vier Jahre erhalten. Außerdem nehmen sie bei ihrem Wechsel alle erworbenen Rechte und Pflichten in die neue Gesellschaft mit und auch die tariflichen Leistungen inklusive künftiger Steigerungen. Auch das ist für vier Jahre verbindlich festgeschrieben. Das haben die Betroffenen als gute Lösung akzeptiert und beklatscht.

Aber die gute Lösung gilt eben nur für die Verlagsgesellschaft in Hannover.

Leider ja. Wir machen uns allerdings dafür stark, dass diese guten Regelungen konzernweit Geltung erhalten. Dafür hat sich auch der Konzernbetriebsrat eingesetzt. Ein solcher Schutz ist machbar für eine Firmengruppe, die sich in ihrem Geschäftsbericht ausdrücklich und mit  guten Gründen ihrer guten Zukunftsaussichten rühmt. Und die ihre Zukäufe an der Küste, gerade die auflagenstarke Ostsee-Zeitung, als werthaltig einschätzt. Niemand darf ins eisige Wasser der Massenarbeitslosigkeit gestoßen werden, nicht in Hannover, nicht in Rostock und auch in keinem anderen Betrieb. Verdi fordert, dass Unternehmen, die Gewinne machen, keine betriebsbedingten Kündigungen vornehmen dürfen.

Klar muss aber auch sein: Angesichts der ständig steigenden Produktivität wird ein Abbau der Massenarbeitslosigkeit nur gelingen, wenn die Gewerkschaften endlich entschieden für den Sieben-Stunden-Tag und die Vier-Tage-Woche eintreten. Hier ist ein gemeinsamer energischer Anlauf für kräftige Arbeitszeitverkürzung überfällig. Die Alternative dazu heißt: Immer mehr werden  erwerbslos auf Arbeitszeit Null gesetzt – der Soziologe Oskar Negt nennt dies zu Recht einen Gewaltakt -   die anderen  können in den Betreiben vor Arbeitsdruck und Stress nicht mehr aus den Augen gucken. Es ist ja kein Zufall, dass die Zahl stressbedingter psychischer Erkrankungen immer mehr zunimmt.

11. Dezember 2009