Zynismus pur: Nordkurier entlässt trotz nachgewiesener Profite

Mit der Androhung von Kündigungen setzt die Geschäftsleitung die Mitarbeiter beim Nordkurier weiter unter Druck. Dabei ist klar: Die Kahlschlag-Politik ist kein Ergebnis einer wirtschaftlichen Notlage, denn der Verlag erwirtschaftet nach Erkenntnissen eines Wirtschaftsprüfers Überschüsse.

Die Mitarbeiter der Scanner-Abteilung soll es als erste treffen: Zum Oktober sollen sechs von ihnen gekündigt werden. Als Akt sozialer Verantwortung will Verlagschef Lutz Schumacher offenbar seine Ankündigung verstanden wissen, dass durch die rechtzeitige Mitteilung den Betroffenen genug Zeit bliebe „neue Aufgaben zu finden“. Angesichts der Tatsache, dass drei von ihnen älter als 50 sind, ist das blanker Zynismus.

Zusätzliche Arbeitsbelastung für die verbleibenden Kollegen und in den Redaktionen wird die Folge sein. Der daraus folgende Qualitätsverlust wird offenbar billigend in Kauf genommen.

Mit diesen Entlassung wird endgültig klar, warum sich die Verlagsleitung des Nordkurier weigert, über einen Haustarifvertrag mit Beschäftigungssicherung für die Redakteure auch nur zu sprechen. Der Austritt aus dem Tarif und die Zerlegung des Verlages in verschiedene Unternehmen waren nur der Beginn einer Kahlschlag-Politik, die bald die nächsten Opfer fordern könnte: Schon erklärt Geschäftsführer Schumacher, dass die Mantelredaktion überbesetzt sei. Leitende Angestellte der frisch gegründeten Regionalverlage wollen dort weitere  Synergien erschließen. Und in der Druckerei wird – den laufenden Gesprächen zur Beschäftigungssicherung zum Trotz – ebenfalls mit Personalabbau gedroht.

Unterdessen wird klar, dass die von der Geschäftsleitung behauptete wirtschaftliche Notlage, mit der die drastischen Maßnahmen gerechtfertigt werden, offenbar nicht existiert. Nachdem der Hamburger Wirtschaftsprüfer Eric Livonius endlich seine Tätigkeit aufnehmen konnte, gelangte er zu dem Urteil, dass „aufgrund der bisher erwirtschafteten Überschüsse“ kein Anlass für die Arbeitnehmer besteht, „auf Lohn- und Gehaltsbestandteile zu verzichten“.

Zuvor hatte Livonius sein Mandat in Frage gestellt, weil er sich durch völlig unüblichen Vorschriften und Auflagen behindert sah. Dabei hatte Geschäftsführer Schumacher gegenüber dem Betriebsrat bereits im Januar zugesagt, Zahlen über die wirtschaftliche Situation vorzulegen, um auf einer verlässlichen Grundlage zu verhandeln und glaubwürdig um Verständnis für Verzichtsleistungen werben zu können.

25. April 2008