Betriebsratswahl: 32 Abo-Werber der Ostsee-Zeitung entlassen

Neuer Tiefschlag im Konflikt um die Rechte der Beschäftigten bei Mecklenburg-Vorpommerns größter Tageszeitung: Nur einen Tag vor der Wahl einer neuen Interessenvertretung hat die Leitung die Schließung des bisher im Rostocker Verlagsgebäude sitzenden Ostsee Aboservices und die sofortige Kündigung aller 32 Mitarbeiter bekanntgegeben.

Die böse Überraschung kam an einem Montagvormittag. Ausnahmslos blaue Briefe für die 32 Mitarbeiter der auf die Neu- und Rückgewinnung von Abo-Kunden der Tageszeitung spezialisierten Werbefirma, die wie die Ostsee-Zeitung (OZ) eine hundertprozentige Tochter der vom Madsack-Konzern beherrschten Lübecker Nachrichten ist.

Offizielle Begründung: Die Kosten für die Telefon und Stand-Werbung von Abonnenten seien zu hoch gewesen, daher würden die Aufgaben zum großen Teil von der Dialoghafen GmbH, einen gerade erst gegründeten Callcenter im Rostocker Stadtteil Warnemünde, übernommen. Dort könnten sich die soeben gekündigten Mitarbeiter gern bewerben. Ob der Einspareffekt wirklich so groß ist, darf bezweifelt werden, denn von Tarifgehältern konnten die Mitarbeiter der Ostsee Aboservice GmbH (OAS) von jeher nur träumen.

Zwei Wochen zuvor hatte die Ostsee-Zeitung in ihrer Rostocker Ausgabe unter der Überschrift „Dialoghafen schafft 180 Jobs“ die Gründung der neuen Firma gefeiert. Deren Geschäftsführer durften darin stolz von den ersten Kunden berichten. „Sie kommen aus den Medien, der Konsumgüterbranche, der Kommunikation...“

Zwei Gerichte hatten Zulassung zur Wahl bestätigt

Dass die Schließung des OAS einen Tag vor der Betriebsratswahl bei der Ostsee-Zeitung erfolgte, in die die Firma wegen ihrer engen Verflechtung mit der Zeitung erstmals einbezogen worden war, erscheint als sehr seltsamer Zufall. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass der Lübecker Betriebsteil des Unternehmens davon nicht betroffen ist und weiter arbeiten darf.

Während die Geschäftsleitung den Vorgang offiziell totschwieg, machte der Betriebsrat das Thema vor der Belegschaft unter Überschrift „Kampfansage“ öffentlich. Die Kampfansage gilt auch der Interessenvertretung selbst, deren Wahl die Chefetage wegen der Einbeziehung der OAS-Kollegen gerichtlich angefochten hat.

Arbeitnehmervertreter und Geschäftsleitung hatten sich in der Streitfrage bereits vor dem Urnengang zweimal vor Gericht getroffen. Dabei setzte sich der Wahlvorstand in zwei Instanzen mit Anträgen auf einstweilige Verfügung durch und sorgte dafür, dass die Mitarbeiter des bis dato betriebsratslosen OAS mitwählen konnten.

Management setzt Interessenvertretung unter Druck

Das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Leitung scheint inzwischen einen Tiefpunkt erreicht zu haben. In einem weiteren Aushang melden die Arbeitnehmervertreter, dass die Dialoghofen GmbH erneut als Rammbock gegen Arbeitnehmerrechte eingesetzt wurde. Weil der Betriebsrat nicht umgehend eine überraschend vorgelegte Vereinbarung über eine erfolgsabhängige Vergütung von Verlagsmitarbeitern (Provisionen) unterzeichnen wollte, sondern um Bedenk- und Beratungszeit bei der komplexen Materie bat, würden bereits geplante Einstellungen für telefonische Werbevermarkter nicht erfolgen. Die Arbeiten würden ebenfalls nach Warnemünde vergeben.

Während sich der Dialoghafen auf seiner Facebook-Seite als vermeintliches Start-up mit ausnahmslos glücklichen Mitarbeitern feiert, sind dessen Geschäftsführer, die laut OZ für ihre Investition eine Millionen-Summe in die Hand nehmen, erfahrene Manager. Sie waren zuvor unter anderem im Konzern des nationalen Werbevermarkters Ströer tätig – ebenso wie OZ-Geschäftsführerin Imke Mentzendorff.

Appell an SPD als Gesellschafter

Die zunehmend ruppigen Methoden bei der Ostsee-Zeitung könnten auch für die SPD zum Problem werden, deren Medienholding ddvg größter Einzelgesellschafter des alles beherrschenden Madsack-Konzerns ist. So nutzte eine Abordnung von Mitarbeitern bei der Mai-Kundgebung des DGB in Rostock die Gelegenheit, mit Ministerpräsidentin Manuela Schwesig über die aktuellen Entwicklungen in dem Medienbetrieb zu diskutieren. „Machen Sie sich dafür stark, dass die politischen Forderungen der SPD nach einer Stärkung von Tarifverträgen und betrieblicher Mitbestimmung auch im ,eigenen Haus‘ Realität werden“, heiß es in einem offenen Brief. Die Regierungschefin, selbst stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, versprach, sich der Angelegenheit anzunehmen.
9. Mai 2018