Brutalsanierung mit SPD-Segen schürt Sorgen an Küste

Der Madsack-Konzern stellt im Zeichen des Strukturwandels in den Medien selbst große Druckstandorte in Frage, will nun 170 Mitarbeiter in Hannover in die Arbeitslosigkeit schicken. Was bedeutet das für die Zukunft der Ostsee-Zeitung?

Paukenschlag in der Nachtschicht: Aus der Niedersachsen-Ausgabe der BILD-Zeitung, die bei ihnen gerade über die Rotation läuft, erfahren die Drucker in Hannover von der geplanten Schließung des Standorts Anfang 2017.

Thomas Düffert, oberster Chef des Madsack-Konzerns, bequemt sich erst am Folgetag zu einer Erklärung gegenüber den 170 Betroffenen. In dürren Worten bestätigt er der geschockten Belegschaft den Bericht des Springer-Blattes: Die mittelständische  – selbstverständlich tariflose – Druckerei Oppermann in Rodenberg, etwa 35 Kilometer südwestlich von Hannover an der Autobahn 2 gelegen, soll nach einer millionenschweren Neu-Investition die Herstellung der Hannoverschen Allgemeinen (HAZ) und der Neuen Presse übernehmen. Hoffnung auf eine Zukunft macht Düffert den Mitarbeitern nicht. Man wolle ihnen möglichst schnell „Planungssicherheit“ verschaffen – was auf den Weg in die Arbeitslosigkeit hinausläuft. Denn selbst eine Weiterbeschäftigung zu schlechteren Konditionen bei Oppermann sei eher unwahrscheinlich.

Dass der Kahlschlag-Plan vorzeitig in die Öffentlichkeit geriet, könnte Indiskretionen aus der SPD geschuldet sein. Denn ihre Medienbeteiligungsgesellschaft DDVG, der größte Anteilseigner von Madsack, hatte führende Genossen offenbar per Brief über die bevorstehende Ankündigung informiert. Die Arbeitnehmervertreter – Betriebsrat und Gewerkschaft – werden von dem Konzept hingegen kalt überrascht, das Düffert als „unumstößlich“ bezeichnet.

Tipps für Rausschmiss
mit „Charme“

Missglückte Satire, unfreiwillige Komik oder sollte es gar subtile Kritik an den Methoden von Verlagskonzern-Chef Düffert sein? „Mitarbeiter entlassen mit Motivation“ titelt die Ostsee-Zeitung in ihrer Rostocker Ausgabe, und schon nimmt einer der alltäglichen Berichte aus der Rostocker Wirtschaft mit ihren Stehempfängen ungewohnt Fahrt auf.
Leute rausschmeißen, das könne Firmen ganz schön teuer zu stehen kommen, stöhnt ein Unternehmensberater. Aber das müsse nicht sein, wenn man es „charmant für beide Seiten“ über die Bühne bringt.  Hilfe in allen Lebenslagen von Ihrer Heimatzeitung, notiert beim „Business-Lunch“ einer auch an der Warnow ansässigen Optimierungsfirma rund um das Thema „New Placement“. Was ungefähr so viel heißt, als dass ein Rausschuss doch auch die Chance für den Aufbruch zu neuen Ufern sei.
Derlei gute Nachricht illustriert das Blatt mit den gewohnten Stehtisch-Aufnahmen in die Kamera lächelnder lokaler Wirtschaftsgrößen. Madsack-Chef Düffert wurde nicht gesichtet, sicher alles eine Nummer zu klein, aber man muss ja auch nicht dabei sein. Zeitung lesen genügt...
Dass diese Basta-Politik gegen geltendes Recht verstößt, die den Interessenvertretungen nicht nur ein Beratungs-, sondern ausdrücklich ein Vorschlagsrecht für Alternativen zugesteht, sollte um die Reputation ihrer Partei besorgten Sozialdemokraten ebenso sauer aufstoßen wie die grundsätzliche Strategie, die die Madsack-Konzernspitze verfolgt. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil findet immerhin deutliche Worte: „Es ist meines Erachtens nicht hinnehmbar, dass die DDVG mitwirkt an einem auf Tarifflucht abzielenden Geschäftsmodell, während die SPD aus guten Gründen stets genau davor warnt und Tariftreue einfordert. Ein solcher Vorgang beschädigt die Glaubwürdigkeit der SPD insgesamt. Insoweit besteht deutlicher Klärungsbedarf.“

Unterdessen darf sich Weils Schweriner Amtskollege und Parteifreund Erwin Sellering fragen, wann die Brutal-Optimierung Mecklenburg-Vorpommern erreicht: Beim größten Titel im Nordosten, der Ostsee-Zeitung, hat Madsack vor wenig mehr als Monatsfrist den langjährigen Geschäftsführer Thomas Ehlers geschasst und ein Interims-Management mit Konzern-Personalchef Adrian Schimpf installiert. Der hat schon bei Märkischer Allgemeiner Zeitung (MAZ, Potsdam) und Leipziger Volkszeitung (LVZ) einen harten Sparkurs exekutiert.

Nun wies die neue Geschäftsleitung eine „Bestandsaufnahme“ bei Ostsee-Zeitung (OZ) und Lübecker Nachrichten (LN) an, die auf eine enge Integration beider Blätter in das Konzernumbau- und Sparprogramm „Madsack 2018“ hinauslaufen dürfte. Erstes Opfer könnte die gemeinsame Mantelredaktion beider Blätter, die RSG, sein, deren Aufgaben bereits jetzt schrittweise durch die Zentralredaktion RND in Hannover übernommen werden. Zu deren offizieller Inbetriebnahme im November 2014 hatten sowohl Sellering als auch Weil noch artig gratuliert.

Wie die rosig ausgemalte Zukunft à la „Madsack 2018“ in der Praxis aussieht, zeigt sich jetzt: Die Ad-hoc-Schließung des Callcenters KSC in Hannover, dessen Mitarbeiter die Forderung nach einem Tarifvertrag gewagt hatten, fügt sich ebenso ins Bild wie die Abwicklung des Druckhauses Schlaeger im ostniedersächsischen Peine und nun die fragwürdige Begründung für die Schließung in Hannover: Eine Neu-Investition lohne sich bei einer aktuell zu druckenden Auflage von 340.000 Exemplaren nicht und sei auf dem – weitläufigen – Gelände „wirtschaftlich nicht darstellbar“.

Angesichts dessen empfinden es viele Mitarbeiter zunehmend als Hohn, von Konzernchef Düffert in seiner Hochglanz-Hauspostille „Madsack Inside“ ständig als „liebe Kolleginnen und Kollegen“ tituliert zu werden.  Da gibt es in der Tat noch „Klärungsbedarf“ für den 47-jährigen Manager, der seine Visionen eines Medienhauses der Zukunft sogar noch bei der Versammlung der vor Wut bebenden Druckerei-Belegschaft in Hannover zu verkaufen suchte. Die Entscheidung sei „die beste Lösung, die es langfristig für Madsack gibt“.
3. Juli 2015