Filet à la Madsack: Kleine Einheiten im Einheitsbrei

Während in Rostock und Lübeck um die Sicherung von Arbeitsplätzen gerungen wird, startet der Medienkonzern in Hannover die nächste Stufe der Selbst-Zerlegung. Die Mediengruppe steuert immer stärker auf das komplette Zerschlagen tariflicher Strukturen und der betrieblichen Interessenvertretungen zu.

29, 35, 44 Jahre – mit ihrer auf Plakaten vermerkten Betriebszugehörigkeit bildeten Dutzende Mitarbeiter der Ostsee-Zeitung (OZ) bei der jüngsten Verhandlung zwischen Geschäftsleitung und dem von der Gewerkschaft ver.di begleiteten Betriebsrat schweigend ein Spalier vor dem Tagungsraum. Rund 50 Arbeitsplätze will der Madsack-Konzern bei Mecklenburg-Vorpommerns größter Tageszeitung abbauen. Den Betroffenen – unter ihnen viele Frauen in Altersgruppen mit geringen Chancen auf dem Arbeitsmarkt – drohen Kündigung oder die Ausgliederung in tariflose Unternehmen der Mediengruppe mit Sitz im niedersächsischen Hannover.

Der Kahlschlag an der Küste, der auch die Lübecker Nachrichten (LN) betrifft, ist Konsequenz des Sparprogramms „Madsack 2018“, das eine weitreichende Zentralisierung nahezu aller Arbeitsbereiche vorsieht. Die einzelnen Titel werden schrittweise auf die Rolle unselbstständiger Regionalausgaben des Mutterblattes an der Leine reduziert.

Seit einigen Tagen erscheinen die OZ und die anderen im sogenannten Rheinischen Zeitungsformat produzierten Madsack-Blätter in einem einheitlichen Layout. Das soll nochmals erleichtern, was im neu gestalteten Titelkopf verschämt als „Partner im Redaktionsnetzwerk Deutschland RND“ umschrieben wird: Weite Teile des Inhalts werden nicht mehr in Rostock oder Lübeck gestaltet, sondern in Hannover – ein Einheitsbrei für 18 Titel zwischen Leipzig, Niedersachsen und der Ostseeküste von Kiel bis Usedom.

In der Folge wurden zunächst die Redaktionen ausgedünnt. Bei der OZ sollen bis Ende 2018 ein Viertel der Stellen entfallen. Jetzt sind die Verlagsbereiche fällig.

Zusätzliche Führungskräfte trotz drohender Entlassungen

Der Kurs wird vom Management als unvermeidliche Anpassung an reduzierte Auflagen und fallende Werbeumsätze deklariert. Doch gespart wird vor allem bei den Mitarbeitern an der Basis. Beim Stellenabbau in der Redaktion blieb die Zahl der Ressortleiter und sonstigen Chefs unverändert – im Verlag (Anzeigen und Vertrieb) setzt man sogar noch eins drauf: Der „Führungskreis“ um jeweils einen Anzeigenverkaufs- und Vertriebsleiter und sowie vier für die Einzelstandorte zuständigen Verlagsleiter soll um eine über allen stehende und nur der dreiköpfigen Geschäftsleitung untergeordnete Prokuristin erweitert werden.

Der Betriebsrat kritisierte dieses Vorgehen als instinkt- und verantwortungslos angesichts der Tatsache, das langjährigen Mitarbeitern die Entlassung droht. Wenn die Führungskräfte tatsächlich bei der Bearbeitung des regionalen Marktes überlastet seien, wäre aus seiner Sicht die Umverteilung von Aufgaben die richtige Lösung.

Der entschlossene Widerstand der Arbeitnehmervertreter missfällt der Spitze des Medienkonzerns, dessen größter Gesellschafter die SPD-Medienholding ddvg ist. In Hannover wird jetzt offenbar getestet, wie man sich der Opposition entledigen könnte: Überraschend wurde bekanntgegeben, ausgerechnet die für den lokalen Anzeigen- und Vertriebsmarkt tätigen Mitarbeiter aus dem Verlag in eine tariflose Tochterfirma ausgliedern zu wollen. Im Ergebnis würde die von der anstehenden Druckerei-Schließung bereits reichlich gebeutelte Belegschaft im Kernbetrieb des Konzerns auf nur noch rund 150 Mitarbeiter schrumpfen, so dass zum Beispiel Regel-Freistellungen für Betriebsräte entfielen, was deren Arbeit massiv erschwert.

Frontalangriff gegen Gewerkschaften und Betriebsräte?

Ist das das Final-Ziel von „Madsack 2018“? Ein in Dutzende von der Konzernmutter abhängige Einheiten zersplitterte Firmenlandschaft, bei der das Management – weitgehend unbehindert von Gewerkschaften oder betrieblichen Arbeitnehmervertretungen – entsprechend der „Marktlage“ agieren kann? Vorbilder wie der Bauer-Konzern oder die Nordkurier-Gruppe (Neubrandenburg) gibt es, die Leidtragenden sind immer die Beschäftigten. Für sie entsteht eine Zone der Unsicherheit, in der der Betrieb praktisch von heute auf morgen grundlegend umstrukturiert oder gleich ganz eingestellt werden kann.

Gegen diese Zumutungen wehrt sich nicht nur die Belegschaft in Rostock. Zuletzt zeigten Mitarbeiter der LN bei den Nordischen Filmtagen und den Parteitagen von CDU und SPD Flagge für ihre Interessen. Gerade den wahlkämpfenden Genossen ist es sichtlich unangenehm, den Widerspruch zwischen den öffentlich verkündeten Werten und der mit ihrer Billigung bei Madsack umgesetzten Realität erklären zu müssen. Doch sehr viel mehr als tröstender Zuspruch kam dabei noch nicht heraus. Trotz des eklatanten Widerspruchs zu dem Bekenntnis zu Tarifen und Betriebsräten wurde die Parteiholding ddvg, die offenbar möglichst viel Geld in die Parteikassen spülen soll, bisher nicht in die Schranken gewiesen.
21. November 2016