Karrieresprung für Redaktionschef von OZ und LN Manfred von Thien

Mega-Koordinator soll Madsacks Blätter auf Kooperations-Kurs bringen

Kommt nun die Kooperation im ganz großen Stil? Der Mann, der Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten so auf Einheitskurs trimmte, dass sie kaum mehr zu unterscheiden sind, ist vom Mutterkonzern Madsack nach Hannover berufen worden, um dort die „Vernetzung“ aller 17 Blätter der Mediengruppe voranzutreiben.

Manfred von Thien

Synergien wolle man definieren und „nach sorgfältiger Analyse nutzen“. Das Managerdeutsch, mit dem Konzern-Chef Herbert Flecken die Inthronisation des neuen „Koordinators“ für die 17 Blätter der Mediengruppe begründete, kam vielen Mitarbeitern der Rostocker Ostsee-Zeitung bekannt vor. So ähnlich fing es auch an, als der nun nach Hannover berufene Manfred von Thien (55) vom Chefstuhl der Lübecker Nachrichten nach Rostock wechselte.

Der Springer-Mann, der an die Stelle des wegen Stasi-Vorwürfen gefeuerten Chefredakteurs Gerd Spilker trat, trimmte das bis dahin eher betuliche Blatt auf einen locker-leichten Boulevard-Stil, der in der Leserschaft nach wie vor auf geteiltes Echo stößt. Zwei Jahre später zündete mit Gründung der gemeinsam mit den Lübecker Nachrichten betriebenen Redaktions-Service-Gesellschaft (RSG) die zweite Stufe: Beide Blätter wurden in rasantem Tempo auf Einheitskurs gebracht, was für Rostock den Verlust großer Teile der fortan schwerpunktmäßig an der Trave angesiedelten Mantelredaktion mit sich brachte.

„Bettgeflüster“ blieb nur Quickie

Mit keiner Zeitung ist Manfred von Thien so eng verbunden wie mit den Lübecker Nachrichten, wo er 1999 den Chefredakteursposten übernahm. So zog der studierte Rechtswissenschaftler und Psychologe auch 2006 bis 2009 hinter den Kulissen weiter die Fäden, als er zunächst zwei Jahre Chefredakteur der Rostocker Ostsee-Zeitung wurde, um dann als Redaktionsdirektor der für beide Zeitungen produzierenden Firma RSG zu reüssieren.

Kaum hatte der Madsack-Konzern beide Blätter von Springer gekauft, saß Von Thien im Februar 2009 auch wieder offiziell auf den Lübecker Chefstuhl. Was prompt Spekulationen laut werden ließ, der ausgewiesene Springer-Mann gehe mit Blick auf die ungewisse Zukunft der RSG lieber auf Nummer sicher.

Manfred von Thien startete seine Karriere als Lokalchef beim Hamburger Abendblatt, wurde dann Chefredakteur der Hamburger Morgenpost, bis er 1996 von Springer zurückgeholt und in die Hauptstadt zur kränkelnden B.Z. geschickt wurde. Sein Versuch, den Sinkflug des Boulevardblatts zuletzt mit einer Sex-Serie namens „Berliner Bettgeflüster“ zu retten, endete jedoch mit einer Bruchlandung. „Gossen-Goethe“ Franz Josef Wagner, der Von Thien im Juni 1998 ablöste, schmiss das Geflüster drei Tage nach Amtsantritt aus dem Blatt.
Nun hat offenbar auch die Konzern-Spitze in Hannover Gefallen an Von Thien gefunden, der als großer Kommunikator und blendender Verkäufer gilt. Ob sein Sprung nach oben die früheren Kollegen in Lübeck und Rostock freuen darf und sich dort vorhandene Hoffnungen auf Vorteile aus alter Verbundenheit erfüllen, bleibt abzuwarten. Schon als Madsack Anfang 2009 beide Blätter übernahm, begann das Bangen bei der RSG mit Blick darauf, dass überregionale Inhalte bald möglicherweise noch eine Ebene höher zentral produziert werden könnten. Genau das scheint jetzt einzutreten, wenn Flecken gegenüber der Nachrichtenagentur dpa von einer Neuorganisation der redaktionellen Kräfte spricht und dabei explizit das zentrale Bearbeiten überregionaler Themen ankündigt.

Eine „Mega-RSG“, die zentral ganze Seiten für die Mediengruppe produziert, sehen Insider vorerst jedoch nicht. Eher einen konzernweiten Austausch von Inhalten, die dann jeweils den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden könnten. An den technischen Instrumenten („Berliner Datenbank“) wird eifrig gebastelt und mit dem vor einem Jahr installierten Hauptstadt-Büro, in dem die Berlin-Korrespondenten der Madsack-Zeitungen zusammengeführt wurden, gibt es bereits eine Keimzelle für eine konzerneigene Nachrichtenagentur.

Selbst diese Variante wird absehbar einen Abbau von Arbeitsplätzen mit sich bringen - ob in Lübeck, auf dem „Mutterschiff“ Hannoversche Allgemeine oder der Leipziger Volkszeitung, die vor der Ostsee-Zeitung auflagenstärkstes Blatt des Konzerns ist.

Die Nachfolge Von Thiens, dessen mögliche Berufung nach Hannover bereits im November in der Fachpresse kursierte, ist zum großen Teil geregelt. Zum Chefredakter der Lübecker Nachrichten wurde Gerald Goetsch (48) berufen, der sich an der Trave vom Lokalredakteur nach oben gearbeitet hat und dort ebenso wie in Rostock den Ruf als bodenständiger und umgänglicher Leiter genießt. „Kommissarisch“ wurde Goetsch auch zum Leiter der RSG ernannt, was die Frage nach der Zukunft dieses Redaktionsunternehmens weiter offen lässt.
2. Februar 2011