Undercover: NDR erkundet  Niedriglöhne
bei Verlagspost Nordbrief

Hinter der Fassade der Verlagshäuser von Ostsee-Zeitung (OZ) und Lübecker Nachrichten (LN) wächst eine Dumpinglohn-Zone. Das ARD-Magazin Panorama zerrte die Methoden des zur Verlagsgruppe gehörenden Postdienstes Nordbrief jetzt ans Licht.

Panorama Reporter Jörg Hilbert vor dem Pressehaus der Ostsee-Zeitung. Drinnen war dann Schluss mit der Transparenz. Kameras durften nicht ins Haus.

Urheber: NDR

Kaum standen die Kameraleute vor den Toren des Pressehauses in Rostock, war es aus mit der von der Geschäftsführung sonst so gern beschworenen Transparenz. Auf die Frage, wieviel ein Zusteller beim Postdienst Nordbrief verdient, erhielt Panorama-Reporter Jörg Hilbert keine Antwort. „So geht das nicht, ich werde nicht mit ihnen sprechen“, zitiert das ARD-Politmagazin den Nordbrief-Geschäftsführer. Als die Kamera ausgeschaltet ist, gibt es dann doch ein Gespräch. Der Briefdienst, eine hundertprozentige Tochter von OZ und LN, sei im Aufbau, da könne mann nur Stücklohn zahlen, so die Antwort auf den Vorwurf von Dumpinglöhnen weit unter fünf Euro.

Hilbert hatte sich selbst in Wallraff-Manier in das Unternehmen eingeschleust - mit niederschmetternden Erkenntnissen. Als Zusteller auf dem Land vor den Toren Lübecks sei er gerade mal auf zwei Euro Stundenlohn gekommen. Nordbrief zahlte ihm pro Sendung zwölf Cent sowie eine Zulage von vier Euro pro Tag, schließlich noch 30 Cent Kilometergeld für die Nutzung des eigenen Pkw. Selbst bei einer erheblichen Leistungssteigerung mit wachsender Routine würde er kaum über vier Euro pro Stunde hinauskommen, rechnet der Reporter vor.

Undercover als Zusteller beim Postdienst Nordbrief. Die Erfahrungen des NDR-Manns waren niederschmetternd. Mit Stücklohn sei er gerade mal auf gut zwei Euro die Stunde gekommen.

Urheber: NDR

In der Panorama-Sendung war Nordbrief nur eines der vielen Beispiele eines immer größer werdenden Niedriglohn-Sektors, die Recherchen im Hotelgewerbe, bei Wachdienst oder Friseurhandwerk gaben ein ebenso trübes Bild. Bei Letzteren gibt es aber wenigstens noch die Chance, auch von der heimischen Tageszeitung ans Licht gezerrt zu werden.

Nicht so bei Nordbrief: Während die Ostsee-Zeitung jüngst mehrfach den Skandal um Niedriglöhne beim Paketdienst Hermes aufspießte, wird für die Vorzüge des so „günstigen“ hauseigenen Postdienstes regelmäßig mit redaktionellen Beiträgen die Werbetrommel gerührt – alles andere, vor allem die Situation der Beschäftigten, bleibt ausgeblendet.
Dabei sitzt die nach der PIN-Pleite aus den Diensten Ostseepost (OZ) und Briefkurier (LN) neu formierte Firma eine Etage unter den Redaktionsräumen in Rostock und breitet sich mit der Postsortierung immer weiter aus. Wobei die Tochterfirma des Zeitungshauses da noch ein vergleichsweise freundliches Bild bietet. Wenigstens liegen die Löhne der Sortierer über der Sechs-Euro-Marke.

Panorama zeigte sich gleichwohl noch gnädig, ließ den Namen des zugleich auch als Vertriebschef bei OZ und LN tätigen Nordbrief-Geschäftsführers ebenso aus dem Spiel wie die verantwortlichen Zeitungshäuser. Geschont wurde damit auch der dahinter stehenden Madsack-Konzern, an dem wiederum die SPD über ihre Medienholding ddvg beteiligt ist.
8. Juni 2010