Auflösungserscheinungen auf dem Datzeberg

Kurs Billig-Jobs oder Arbeitslosigkeit: Der Nordkurier schrumpft seine zentralen Ressorts.

Es wird langsam einsam in der Mantelredaktion des Nordkuriers: Als nächster muss der Stellvertreter des Chefredakteurs, Oscar Tiefenthal, seine Sachen packen. Bereits im Januar war der Chefredakteur Andre Uzulis, der Tiefenthal 2002 zu dem Neubrandenburger Blatt geholt hatte, durch Michael Seidel ersetzt worden.

Ob der Stellvertreter-Posten neu besetzt wird, ist dem Vernehmen nach offen. Es könnte als nicht nötig angesehen werden, denn ab April kommen große Teile der Mantelseiten des Nordkurier aus Schwerin. Die Dienstleistungsfirma mv:m, eine Ausgründung der Schweriner Volkszeitung, wird diese Aufgaben übernehmen. Aus Neubrandenburg kommen dann vorwiegend Regie-Anweisungen, denn wegen unterschiedlicher Produktionssysteme wird ein direktes Eingreifen wohl kaum möglich sein.

Der Nachrichtentisch auf dem Neubrandenburger Datzeberg wird aufgelöst und mit ihm geht die Mannschaft zu mindestens zwei Dritteln von Bord. Doch während verschlissene Führungskräfte wie Uzulis und Tiefenthal sich mit angemessener Absicherung „beruflich neu orientieren“ dürfen, ist der nach eigenen Bekunden in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckende Verlag bei gewöhnlichen Mitarbeitern weniger großzügig.

Wer zu den Glücklichen gehört, die in eine andere Firma des Unternehmensgeflechtes Nordkurier oder in die Schweriner Zentralredaktion mv:m wechseln kann, soll bittere Pillen schlucken: Von einer Erhöhung der Arbeitszeit über nur noch „erfolgsabhängige“ Sonderzahlungen bis zum Streichen der tariflichen Zulagen zum Krankengeld nach sechs Wochen und der Abkürzung der Kündigungsfristen reichen die Vorstellungen der Geschäftsleitung. Dass die Urheberrechtsregelungen zum Nachteil der Autoren verschlechtert werden – sie räumen noch mehr Verwertungsrechte für weniger Geld ein – gehört ebenfalls zum Repertoire.

Für andere bleibt wohl nur der Weg zur Arbeitsagentur: Ausreichen werden die ausgeschriebenen Stellen absehbar nicht. Das knappe Angebot hat einen – aus Sicht der Leitung durchaus erwünschten – Disziplinierungseffekt: Wer der publizistischen Abwicklung offen entgegen tritt, muss fürchten, nicht einmal ersatzweise einen Billig-Job zu bekommen. Das Klima in der Mantelredaktion, das von Besuchern schon seit längerem als eisig beschrieben wurde, wird noch ein paar Grad kälter.

25. März 2009