Nordkurier entlässt 60 Brief- und Paketzusteller

Seltsamer Zufall: Unmittelbar vor der erstmaligen Einleitung einer Betriebsratswahl erhielten die rund 60 Mitarbeiter einer für Postdienste zuständigen Tochterfirma des Nordkuriers die Kündigung. Begründung: Die Geschäftsführung beabsichtige die Schließung zum 31. Januar 2018. Die Gewerkschaft ver.di geht davon aus, dass hier mit Brachial-Methoden die Bildung einer Interessenvertretung der Kollegen verhindert werden soll. Kritische Fragen muss sich auch die SPD gefallen lassen, deren Medienholding ddvg indirekt am Nordkurier beteiligt ist.

Kurzer Prozess, weil die Mitarbeiter es wagten, die Wahl eines Betriebsrates einzuleiten? Die Vorwürfe der Gewerkschaft ver.di wiegen schwer. „Der Nordkurier hat miserable Arbeits- und Einkommensbedingungen. Anstatt sich mit Betriebsräten und ver.di sachorientiert auseinanderzusetzen, wählt die Geschäftsführung den vermeintlich einfachen Weg der Betriebsschließung und entlässt 60 loyale Zeitungs- und Briefzusteller in die Arbeitslosigkeit“, so der für Postdienste im Norden zuständige Fachbereitsleiter Lars-Uwe Rieck. Er fordert die sofortige Rücknahme der Kündigungen und den Erhalt des Betriebes.

Der aus Sicht von Rieck „augenfällige“ Ablauf der Ereignisse: Nachdem im November mit der Bestellung des Wahlvorstands der Startschuss für die Betriebsratswahl fiel, flatterten kurz nach Weihnachten am 29. Dezember den Beschäftigten der Nordkurier Logistik Mecklenburgische Schweiz GmbH & Co. die blauen Briefe ins Haus – mit Ankündigung der Betriebsschließung zum 31. Januar 2018. Ein ziemlich überraschendes Aus für die 100-prozentige Nordkurier-Tochter, die laut ver.di jeden Tag bis zu 50.000 Brief- und Paketsendungen in der Region zwischen Teterow, Stavenhagen und Malchin befördert. Zudem hat der Nordkurier laut einem NDR-Bericht die Stellen schon wieder ausgeschrieben – nun jedoch über eine Leiharbeitsfirma.

Hinter den Kulissen spielen sich laut ver.di ziemlich absurde Szenen ab. Derzeit frankiere der Nordkurier alle Briefsendungen in der betroffenen Region um und lasse sie dann von der Deutschen Post zustellen – alles unter strengem Stillschweigen, was aus Sicht von Gewerkschafter Rieck auch die Glaubwürdigkeit der Zeitung beschädigt. „Die unabhängige Berichterstattung im Nordkurier gerät in Schieflage, da die Betriebsschließung und die einhergehenden Kündigungen bisher systematisch gegenüber Kunden, Abonnenten und der Öffentlichkeit verschwiegen werden.“

Dieses Problem sieht auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), der sich mit den gekündigten Zustellern solidarisch erklärt. Er verweist darauf, dass die gedruckte Zeitung immer noch das Kerngeschäft der Nordkuriers sei. „Wenn deren Zustellung zum Spielball unternehmerischer Interessen und eines fragwürdigen Verständnisses von Arbeitnehmerrechten wird, betrifft das Leser und andere Kunden des Unternehmens, aber gerade auch die Journalisten im Land und ihre Arbeit“, so Landesgeschäftsführerin Corinna Pfaff.

Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen steht der Nordkurier mit seiner seit Jahren in unzählige Einzelfirmen zersplitterten Mediengruppe schon lange in der Kritik. Die nun gekündigten Zusteller hätten gerade mal Mindestlohn erhalten, wobei es immer wieder Ärger wegen nicht bezahlter Überstunden gebe. Auch die übrigen Konditionen entsprächen den gesetzlichen Mindeststandards. Selbst bei der Arbeitskleidung werde nur ein Minimum gestellt, alles drüber hinaus Gehende hätten die Beschäftigten selbst kaufen müssen.

Die Nordkurier Logistik Mecklenburgische Schweiz ist nur eine von sieben Zustellfirmen der Neubrandenburger Ungternehmensgruppe, die sowohl die Tageszeitung als auch Briefe und Pakete zustellen. Bei den anderen Standorten ist von einer Schließung jedoch bisher keine Rede.

Da die Geschäftsleitung gegenüber der Gewerkschaft jegliche Stellungnahme verweigert habe, will ver.di nun selbst in die Offensive gehen. Gewerkschafter Rieck kündigt eine Kampagne unter dem Motto „Fair zugestellt statt ausgeliefert“ an. Man werde die Leser des Nordkuriers ausführlich informieren.

Auch für die Gesellschafter könnte die Sache unangenehm werden. Mit der Augsburger Allgemeinen, der Schwäbischen Zeitung und schließlich den Kieler Nachrichten, an denen die Mediengruppe Madsack mit 49 Prozent beteiligt sind, halten bekannte Zeitungsverlage jeweils ein Drittel der Anteile des Nordkuriers. Kritische Fragen wird sich ebenso die SPD gefallen lassen müssen. Deren Medienholding ddvg ist größter Einzelgesellschafter des Madsack-Konzerns, zu dem auch die Rostocker Ostsee-Zeitung gehört.
9. Januar 2018