Nordkurier krempelt Lokalredaktionen um

Die Leitung des Nordkurier nimmt weiter Kurs auf ihr Ziel, aus dem Tageszeitungsverlag ein möglichst kostengünstiges „Medienhaus“ zurecht zu schrumpfen. Jetzt ist zu befürchten, dass die Lokalredaktionen des in mehr als ein Dutzend tariflose Firmen zersplitterten Verlags in den Fokus geraten.

Ersetzen „fliegende Reporter“ in Zukunft die klassische Lokalredaktion? Beim Nordkurier mehren sich die Zeichen für einen weiteren drastischen Einschnitt. Durch die technische und arbeitsorganisatorische Trennung in – personell notdürftig ausgestattete – „Desk“-Besetzungen, die das Blatt produzieren, und mit Laptops ausgerüstete Reporter, die die Geschichten heranholen, sollen offenkundig weitere Einsparpotenziale erschlossen werden.

Honorarregeln vor Gericht

Vor dem Rostocker Landgericht wird voraussichtlich am 22. März über die umstrittenen Geschäftsbedingungen für Freie Mitarbeiter der Kurierverlags-Gruppe (Nordkurier) verhandelt. Im Interesse der betroffenen Journalisten hatte der Deutsche Journalisten-Verband Klage eingereicht, um unter anderem einen Ausverkauf der Urheberrechte zu verhindern. Der Verlag hatte sich für ein sehr bescheidenes Entgelt praktisch alle nur erdenklichen Verwertungsmöglichkeiten einräumen lassen wollen, darunter auch den Druck von Tassen und T-Shirts.

In einem Eilverfahren bekam die Gewerkschaft recht. Die Formularverträge wurden in wesentlichen Teilen als unwirksam eingestuft und dürfen vorläufig nicht verwendet werden.

Als Reaktion haben viele Autoren neue Verträge erhalten. Diese sind nach Einschätzung von Fachleuten in einigen Punkten dem damaligen Urteil angepasst, offenbar aber nicht in allen.

Neben der Auseinandersetzung um den Nordkurier haben die Gewerkschaft ver.di und der DJV auch gegen andere Verlage wie Springer und Bauer Klage wegen für die Betroffenen nachteiligen Regelungen für die Abtretung von Urheber- und Verwertungsrechten („Total-Buy-Out“) eingereicht. In einigen Fällen, wie dem Verfahren gegen den Zeit-Verlag unter dem Aktenzeichen 312 O 224/10, haben sie bereits vor Gericht erste Erfolge für die Autoren erstritten.

Die Betroffenen und ihre Interessenvertreter werden – wie es bereits in der Vergangenheit bei Umstrukturierungen  im Verlag schlechter Brauch war – im Ungewissen gelassen. Doch mögliche Szenarien zeichnen sich ab: Die Lokalseiten werden zentral an vier Regionalgesellschaften in Neubrandenburg, Waren, Anklam und Prenzlau produziert.  Die übrigen Redakteure sollen als Reporter nur noch per Laptop und Blackberry Inhalte zuliefern. Seit ein paar Tagen sind sie auch technisch vom Layout der Seite abgeschnitten, nur noch die Chefreporter dürfen bei der Gestaltung noch Hand anlegen.

Was Geschäftsführer Lutz Schumacher im Internet schon als Modell für den Journalisten der Zukunft pries, krankt in der Praxis noch an technischen Unzulänglichkeiten: Im häufig dürftig mit schnellem Mobilfunk UMTS oder leistungsfähigen DSL-Verbindungen versorgten Südosten Mecklenburg-Vorpommern erweist sich die mobile Einwahl in das Redaktionssystem mitunter als schwierig.

Während die Technik noch optimiert wird, herrscht über personellen Auswirkungen des neuen Konzept keine Klarheit bei den Mitarbeitern. Sie fürchten eine neue Spar-Attacke  des als  Kostendrückers  berüchtigten Geschäftsführers, der sich bei seiner vorherigen Station in Münster einen zweifelhaften Ruf erwarb, als er über Nacht eine gesamte Lokalredaktion  vor die Tür setzte.

Viele Fragen drängen sich auf: Behalten die Reporter auch in Zukunft ihren Fest-Angestellten-Status oder dürfen sie sich später als Freiberufler zu den heftig in die Kritik geratenen Konditionen des Hauses verdingen? Was wird aus den Geschäftsstellen und den dort Beschäftigen?

Bedenklich stimmt viele, dass im vergangenen Jahr bereits das Redaktionsbüro in Altentreptow geschlossen wurde. Der Verlag meint hier, mit einem sporadisch besetzten Schreibtisch in der Sparkasse  gegenüber dem angeblich hochgeschätzten Leser ausreichend Flagge zu zeigen.

Die Betriebsräte, die nach dem Gesetz auch darüber zu wachen haben, dass bei neuen technischen Systemen der Schutz persönlicher Daten gewahrt wird, tappen im Dunkeln. Ihnen droht - einmal mehr - vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.
14. März 2011