Ostsee-Zeitung gibt Chefredakteur nach Leipzig ab

Bescherung in Rostock: Chefredakteur Jan Emendörfer verlässt die Ostsee-Zeitung und übernimmt zum 1. April 2012 den Chefposten bei der ebenfalls zum Madsack-Konzern gehörenden Leipziger Volkszeitung. Neuer erster Mann in Rostock wird Andreas Ebel, bisher Leiter der Lokalredaktion in der Warnowstadt.

Erst verabschiedete sich Redaktions-Vize Thoralf Cleven von der Ostsee-Zeitung (OZ) in Richtung Berlin, nun geht auch Kapitän Jan Emendörfer (48) von Bord. Für den gebürtigen Hallenser  bedeutet der Wechsel an die Spitze der Leipziger Volkszeitung, dem auflagenstärksten Titel des Madsack-Konzerns, neben einer Rückkehr in seine Heimatregion mit Sicherheit einen Karrieresprung. Per Pressemitteilung verkündete der Verlag die Personalie nur Minuten, nachdem in Rostock die Redaktion zu einer Versammlung zusammengetrommelt worden war.

Dass die Rostocker Belegschaft Emendörfer ungern ziehen lässt, liegt nicht nur an ihrem Chef, der sich etwa mit der preisgekrönten Kolumne „Hinter’m Zaun“ aus dem zum G8-Gipfel umzäunten Heiligendamm journalistische Meriten erworben hat. Der Aderlass an Führungskräften weckt auch Sorgen, das Mutterblatt in Lübeck, wo seit 2008 bereits große Teile der OZ-Mantelseiten produziert werden, könnte in Zukunft noch stärker in Rostock durchregieren.

Während sich der Abgang Emendörfers bereits seit einigen Tagen abzeichnete, ist Geschäftsführer Thomas Ehlers bei der Nachfolgeregelung eine Überraschung gelungen. Mit der Berufung von Andreas Ebel rückt nicht nur ein erfahrener Mann ab 1. April 2012 an die Spitze
der mit rund 153 000 Exemplaren auflagenstärksten Tageszeitung Mecklenburg-Vorpommerns, sondern auch ein Eigengewächs des Hauses. Der 43-Jährige leitet bereits fast zehn Jahre die Rostocker OZ-Lokalausgabe. Im Haus zuvor kursierende Befürchtungen, der Job könnte in Zukunft vom Mutterhaus Lübecker Nachrichten (Auflage: 104 000) aus gleich mit erledigt werden, sind damit vom Tisch.

Das sich Rostock zur Kaderschmiede von Deutschlands sechstgrößtem Zeitungskonzern entwickelt hat, überrascht nur auf den ersten Blick. Der Schlüssel liegt bei Emendörfers Vorgänger in der Chefredaktion: Manfred von Thien, von 2006 bis April 2008 erster Mann an der Warnow, dreht seit 2011 als „Beauftragter des Verlegers“, de facto Chef aller Chefredakteure, bei Madsack ein richtig großes Rad. Was er im Kleinen mit der engen Zusammenführung der Redaktionen von Lübecker Nachrichten und Ostsee-Zeitung durchexerzierte, wird nun Schritt für Schritt bei dem von Hannover aus systematisch expandierenden Medienkonzern umgesetzt.

Erster Meilenstein ist die von Thoralf Cleven geleitete und inzwischen auf 20 Journalisten aufgestockte Hauptstadtredaktion in Berlin, die Beiträge an alle Madsack-Blätter liefert. Was nicht ohne Folgen bleiben dürfte. Das Ziel, die verschleiernd als „Synergien“ bezeichneten Einsparpotenziale zu heben, liegt auf der Hand. Das ist spätestens mit dem für die Leipziger Volkszeitung angekündigten Personalabbau – allein in der Redaktion sollen 30 Mitarbeiter gehen – offensichtlich.

Dass auf den bisherigen OZ-Chefredakteur in der Messestadt ein nicht eben bequemer Job wartet, versteht sich von selbst. Doch Emendörfer darf sich des Rückhalts bei Madsacks starkem Mann in der Redaktion gewiss sein. Von Thien eilt noch aus seiner Lübecker Zeit der Ruf nach, blitzschnell Netzwerke knüpfen und Machtpositionen aufbauen zu können. Wer sein Vertrauen genießt, kann rasant die Karriereleiter hinauf klettern. Für andere, die sich nicht nahlos ins (boulevardeske) Konzept einpassen, wird es schwierig.

So gesehen, wundert es wenig, dass aus dem Personalstamm der OZ für den Madsack-Konzern wichtige Positionen bestückt werden. Der im September bekannt gegebene Wechsel des Grevesmühlener Lokal-Chefs Nick Vogler in die Chefredaktion der Lübecker Nachrichten ist dafür ein weiteres Beispiel.
18. Dezember 2011