OZ-Mutter Madsack spart an Redaktionen

Nächster Rationalisierungsschritt des Verlagskonzerns, zu der auch Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten gehören: Madsack zentralisiert die Produktion journalistischer Inhalte für die Blätter der Mediengruppe. Was bleibt im Norden übrig?

Es war ein Einstand mit Knalleffekt: Zum Antrittsbesuch bei den Arbeitnehmervertretern redeten der designierte künftige Madsack-Konzernchef Thomas Düffert – seit gut 100 Tagen im Amt – und der ihn begleitende Manager Rüdiger Garbs  in Sachen Zukunft der journalistischen Arbeit Klartext: Es werde in der Mediengruppe künftig deutlich weniger Redaktionen und Redakteure geben. Fünf voneinander unabhängige publizistische Einheiten könne man sich nicht länger leisten. In Verlag und Technik seien angesichts sinkender Umsätze in der traditionellen Geschäftsfeldern ebenfalls weitere Rationalisierungsschritte, Zentralisierung von Aufgaben und damit Personalabbau erforderlich. Ob Kündigungen vermieden werden könnten, hänge nicht zuletzt von der Bereitschaft ab, diesen Kurs mitzutragen, ließ man die Betriebsräte wissen – ausschließen wolle man Entlassungen aber nicht. Eine Nachricht, die auch bei den Redakteuren von Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten für höchste Beunruhigung sorgte.

Ungeplante Offenheit? Nachdem der Konzernbetriebsrat die rund 3500 Mitarbeiter zwischen Rostock, Marburg, Hannover und Leipzig über das Gehörte unterrichtet hatte, entfaltete das Managment hektische Aktivitäten, um die Wellen wieder zu glätten. In einem eilig aus Hannover gemailten Rundschreiben, das statt mit einer Unterschrift nur elektronisch von „Ihrer Geschäftsleitung Mediengruppe Madsack“ unterzeichnet war, hieß es vage, die Planungen stünden noch am Anfang. In Hannover forderte Düffert Mitarbeiter auf, bis zu deren Abschluss „Ruhe zu bewahren“.

Der als eher medienscheu geltende Konzernchef Herbert Flecken erläuterte dem Branchenmagazin „Kontakter“, es gehe lediglich um eine Spezialisierung bei Servicethemen wie Auto, Reisen oder Immobilien. Der sich in diesem Zusammenhang ergebende Personalabbau solle durch natürliche Fluktuation sozial verträglich gelöst werden. Konkrete Nachfragen von Betriebsräten wurden ausweichend beantwortet. Mancher nachgeordnete Manager erklärte, an den Planungen offenbar nicht beteiligt zu sein.

Beruhigungspillen oder Hinweis auf Differenzen in der Hannoverschen Führungsriege?

Zentral aus Lübeck

Die Redaktions-Service-Gesellschaft (RSG) wurde 2008 als Tochterfirma der Lübecker Nachrichten und der Ostsee-Zeitung gebildet. Sie beliefert beide Blätter mit Seiten für den überregionalen Teil (Politik, Blickpunkt, Aus aller Welt) und das außerhalb der Sommermonate täglich erscheinende Service-Magazin. Zudem werden einzelne Beiträge wie Kommentare zwischen beiden Blättern ausgetauscht. Sitz der RSG ist Lübeck.

Mit der Bildung der Zentralredaktion wurde die Mantelredaktion der Ostsee-Zeitung personell deutlich reduziert. Dadurch wird es zunehmend schwieriger, auf die von der RSG angebotenen Inhalte zu verzichten, um etwa regionale Themen auf Seite 3 zu platzieren.

Durch einen von den Gewerkschaften erstrittenen Tarifvertrag sind Kündigungen bis Ende 2011 ausgeschlossen und – zumindest bis zu diesem Termin – die Bindung der ausgegliederten Redaktion an die Flächentarifverträge gesichert.

Fakt ist: Madsack rationalisiert nach Kräften. Das hat etwa die erst 2009 in Madsacks Reich eingegliederte Ostsee-Zeitung (OZ) Teile der Verwaltung und dort beschäftigten Mitarbeitern den Job gekostet. Bereits zuvor waren – noch unter Federführung Springers – wesentliche Teile der Mantelressorts an die in Lübeck angesiedelte Redaktions-Service-Gesellschaft (RSG) abgegeben worden.

Droht jetzt die „Mega-RSG“ mit Sitz in Berlin, wo bereits die bundespolitischen Korrespondenten des Konzerns zusammengezogen wurden? Eine „Berliner Datenbank“ zum Austausch von Beiträgen und der Koordinierung von Terminen existiert bereits im Versuchsstadium. Erste Ergebnisse der Zusammenarbeit durften die Blätter des Konzerns bereits abdrucken, darunter ein „Video-Interview der Madsack-Verlagsgruppe“ mit Bundeskanzlerin Merkel, das – ungeachtet wenig spektakulärer Aussagen - allenthalben prominent platziert wurde.

Madsacks schöne neue Welt: Einheitssoße statt Regionalbezug? Doch auch in der zum Schwerpunkt erklärten Lokalberichterstattung kann man aus Sicht der Manager noch sparen. Die Zeitungen dürften sich zwar nicht aus der Fläche zurückziehen und Redaktionen schließen, um nah am Leser zu bleiben, erläuterte Flecken jetzt auf einer Veranstaltung in Kiel. Doch müssten Redakteure für ihren Beruf kein abgeschlossenes Studium haben. Das könnte sogar hinderlich sein, so der Konzernlenker.

17. September 2010