Schweriner Volkszeitung: Systematischer Kahlschlag durch den neuen Eigentümer?

Die Ausführungen des Geschäftsführers Bernd Bleitzhofer auf der jüngsten Betriebsversammlung gellen den Beschäftigten der Schweriner Volkszeitung als Alarmsignal in den Ohren: Man prüfe weitere Schritte, um die Wirtschaftlichkeit zu optimieren. Geht der Kahlschlag bei der Tageszeitung aus der Landeshauptstadt weiter?

Die Angst geht um auf dem Schweriner Großen Dreesch vor immer neuen Einschnitten durch die Mutter aus Flensburg.

Für geschätzte 65 Millionen Euro hatte Anfang 2005 der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (sh:z) die Schweriner Volkszeitung von der Burda Verlagsgruppe übernommen.  Bereits wenige Monate nach Kauf begann der neue Eigentümer aus Flensburg einen massiven Personalreduzierung. Das erklärte Ziel: Etwa ein Drittel der 340 Beschäftigten sollte abgebaut werden!

Das erste Ziel der Radikal-„Optimierung“ war die Technik: Offiziell wegen Umbau der Rotation wurden Teile der Produktion zeitweilig in das sh:z-Druckzentrum Büdelsdorf bei Rendsburg verlagert. Doch selbst für Außenstehende war der bedrohliche Unterton unüberhörbar: Wir können den Standort Schwerin jederzeit in Frage stellen. Unter dem Eindruck dieser Drohung setzte die Geschäftsleitung eine Reduzierung der Schichten durch und die überzähligen Mitarbeiter mit einer mageren Abfindung auf die Straße.

Die nächsten Opfer folgten schon bald: Nach dem Tod der langjährigen Chefredakteurs Christoph Hamm wurde sein Stellvertreter Bernd Mackowiak geschasst, der bald darauf starb. Ihr Verständnis redaktioneller Qualität dokumentierte die neue Führung mit der Entscheidung das Redaktionsarchiv zu schließen. Die Demontage der Redaktionssekretariate – überwiegend per betriebsbedingter Kündigung der langjährigen Mitarbeiter – bürdete den Redakteuren in den ohnehin dünn besetzten Redaktionen und Ressorts zusätzliche Arbeit auf.

Betriebsrat in die Enge getrieben

Entsprechend seines gesetzlichen Auftrags setzte sich der Betriebsrat des Verlages für die bedrohten Mitarbeiter ein. Unterstützt von den Gewerkschaften, die unter anderem Sachverständige vermittelten und bei den Verhandlungen berieten, gelang es der Interessenvertretung zumindest einige Kündigungen abzuwenden oder sozial verträglicher Lösungen für das Ausscheiden zu finden, zum Beispiel durch Altersteilzeit.

Damit wurde die Interessenvertretung selbst Ziel der Angriffe. Mit einer massiven Einschüchterungskampagne setzte die Geschäftsleitung den Betriebsrat unter Druck, als dieser sein gesetzlich verbrieftes Mitbestimmungsrecht bei der Einführung eines neuen Redaktionssystems wahrnehmen wollte. Angesichts der Drohung, Investitionen zu streichen und weitere Entlassungen auszusprechen, stellte schließlich der langjährige Betriebsratsvorsitzende Roland Zaharzewski sein Amt zur Verfügung.

Mit diesem Vorgehen begab sich die Geschäftsleitung nach Einschätzung von Juristen mindestens in die Nähe einer Straftat. Die Verantwortlichen des Unternehmens beantworteten die angekündigte  Anrufung einer Einigungsstelle, der gesetzlich vorgesehenen Schiedsstelle, mit der Drohung „Einstellung der Investitionen und weitere Entlassungen“. Nach der Rechtsprechung sind Rücktrittsforderungen dieser Art an den Betriebsrat ebenso strafbar wie der Versuch, den Betriebsrat gegen Gewährung von Vergünstigungen von der Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten abzuhalten.

„Flensburger Weltsicht“ hält zunehmend Einzug

Die Schwächung der Interessenvertretung machte den Weg frei für weitere Abbau-Schritte: Um weitere Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit schicken zu können, wurden verschiedene Verlagsbereiche von Schwerin nach Flensburg verlagert. Von dort kommen im Gegenzug immer häufiger die redaktionellen Anweisungen oder gleich die fertigen Beiträge zwecks Übernahme ins „Schwesterblatt“. Langjährige Leser wenden sich enttäuscht ab und kündigen ihr Abo.

Mit dem Vereinheitlichungskurs bewahrheiten sich die Befürchtungen des Medienwissenschaftlers Horst Röper. Er hatte bereits im November 2005 in einer Anhörung vor dem Innenausschuss des Landtages gewarnt: „Der bisherige Eigentümer der SVZ, der Burda-Konzern, hat nur über wenig Möglichkeiten verfügt, Synergien in der Zeitungsbranche zu nutzen, da er vor allem im Zeitschriftengeschäft aktiv war.“ Da der neue Besitzer sh:z im Zeitungsgeschäft heimisch sei, verfügt er über ganz andere Optionen und sei vor allem offenbar entschlossen, diese auch zu nutzen.

Röper schätzte den sh:z bereits damals ein als „Unternehmen, das im deutschen Markt zu den expansivsten gehört. Die diversen Titel erscheinen in Schleswig-Holstein weit überwiegend in Monopolstellung. Die Marktstellung wurde teilweise durch Absprachen mit Nachbarverlagen erzielt.“

Beobachter spekulieren bereits über die nächsten Pläne des sh:z zur Schrumpfung der Schweriner Tochter: Werden auf Kosten des Profils als „Mecklenburger Heimatzeitung“ weitere Teile der SVZ künftig an der Flensburger Förde produziert? Beteiligt man sich am Projekt eines gemeinsamen Mantel für das Bundesland, das in der Vergangenheit mehrfach debattiert wurde und durch entsprechende Überlegungen bei Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten an Brisanz gewinnt?

Zudem steht die Frage nach dem Druckstandort im Raum: Angesichts der weiter fallenden Auflage mag sich die mittelfristig anstehende Investition eine neue Zeitungsrotation aus Sicht der Flensburger Controller nicht mehr rechnen. Als Alternativen würde sich die endgültige Verlagerung ins chronisch schwach ausgelastete Druckzentrum Büdelsdorf anbieten oder eine Lösung im Nordosten. Schon einmal wurde schließlich die Schweriner Volkszeitung über Jahre in Rostock gedruckt, bevor in der 70-er Jahren die seinerzeit moderne Druckmaschine auf dem Großen Dreesch in Betrieb ging.

8. Dezember 2007