Chefredakteur sieht Nordkurier in „TAZ“-Format

Beim Nordkurier laufen die Vorbereitungen für die Inbetriebnahme der neuen Druckmaschine und die Umstellung auf eine kleineres Erscheinungsform.

„Zusätzliche journalistische Produkte“ kündigt Nordkurier-Chefredakteur Michael Seidel an.

Der Nordkurier wird Anfang kommenden Jahres auf das kleinere Berliner Format umstellen. Das erklärte Michael Seidel, der Chefredakteur des Neubrandenburger Blattes, in einem Interview mit der DJV-Mitgliederzeitschrift „Kiek an!“ und bestätigte damit einen Bericht auf „Qualität und Vielfalt sichern“ von Mitte Februar.

Seidel begründete den Schritt in dem Gespräch mit besseren Auslastungsmöglichkeiten der neuen Technik.  „Deshalb der Wechsel in eines der bundesweit gebräuchlichsten Formate, in dem auch andere Qualitätszeitungen wie etwa die Frankfurter Rundschau oder die Tageszeitung in Berlin erscheinen.“

Greift der oberste Journalist der in ein halbes Dutzend tarifloser Redaktionsfirmen zerschlagenen Tageszeitung aus Neubrandenburg damit nicht etwas zu hoch? Beim vermeintlichen Referenzobjekt aus der Mainmetropole irrt er schlicht in der Formatfrage – die Rundschau ist seit einigen Jahren als Tabloid (24,5 mal 37 Zentimeter) zu haben, nicht aber im Berliner Format (31,5 mal 47 Zentimeter) wie künftig der Nordkurier. An der Ostseeküste erscheinen derzeit die Kieler Nachrichten, einer der Gesellschafter des Nordkurier, als einzige Tageszeitung in dieser Größe.

Beim Umfang will der Nordkurier durch „zusätzliche journalistische Produkte“ (Seidel) zu seinen selbsterklärten Vorbild aufschließen. Das ist zumindest technisch möglich – auch wenn die Rotation der Marke KBA Commander CT prinzipiell für deutlich kleinere Umfänge ausgelegt ist als die bisher eingesetzte Technik. In diesem Fall kommt dem Neubrandenburger Blatt die seit Jahren schrumpfende Auflage – aktuell knapp 93500 Exemplare – einmal zugute. Denn so genügt es auch künftig, pro Umdrehung des Druckzylinders ein Zeitungsexemplar zu fertigen statt - wie bei größeren Blättern - zwei, so dass jede Ausgabe bis zu 32 Seiten umfassen kann.

Das bleibt viel Platz für die „neuen Produkte“, über die Seidel ebenso vage philosophiert wie über einen Ausflug auf den erbittert umkämpften und tendenziell schrumpfenden Markt für Lohndruckaufträge, auf dem man „Druckaufträge bis hin zu Magazinformaten“ akquirieren möchte.

Wer die bewältigen sollte, ist fraglich. Die ohnehin seit Jahren am Limit arbeitende Mannschaft des Druckzentrums auf dem Datzeberg wird im Zuge der Umstellung weiter ausgedünnt – erleichtert dadurch, dass die verbindlichen tariflichen Besetzungsregelungen nicht mehr unmittelbar wirken, sondern nur noch „in Anlehnung“.

Zum Jahresende kommt die Nagelprobe: Was passiert mit den überzähligen Mitarbeitern? Drohen einmal mehr Kündigungen beim Nordkurier?

29. September 2011